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Verbrecher JAGD: Aus Liebe zum Geld

Am 15. Dezember 1967 schlägt Gisela Werler nochmals zu.

Am 15. Dezember 1967 schlägt Gisela Werler nochmals zu. 19 Banken hat sie in zwei Jahren mit ihrem Geliebten Hermann Wittorff in Hamburg und Umgebung ausgeraubt und dabei rund 400 000 DM erbeutet. An diesem Freitag überfällt sie die Kreissparkasse in Bad Segeberg. Keine große Sache. Doch es gibt Widerstand, und auf dem Rückzug schießt Wittorff mit einer Maschinenpistole vier Bankangestellte nieder. Das Pärchen wird geschnappt. Sie habe „nicht aus Geldgier“ gehandelt, erklärt Werler bei einer der ersten Vernehmungen, „sondern aus Liebe“. Kein Roman, jetzt. Das ist wirklich passiert. Gisela Werlers Geschichte ist großes Kino. Ein Spielfilm wird gerade gedreht. Und ein Buch gibt es bereits: „Banklady“ (KiWi, Köln 2013. 242 Seiten, 8,99 €).

Claudia Kühn, die sonst Drehbücher und Kinderbücher schreibt, erzählt in Form eines Doku-Krimis, wie aus einer Hilfsarbeiterin einer Tapetenfabrik die „erste Bankräuberin Deutschlands“ wurde. Die sechziger Jahre sollen in diesem Roman angeblich „in neuem, coolen Licht“ leuchten, aber merkwürdigerweise bemüht die Autorin die gleichen Stereotype, die sich auch in den alten Zeitungsartikeln über den Fall finden.

Das fängt mit Nick-Knatterton-Dialogen an („Mädchen. Das ist keine Schnulze hier. Einen auf verliebt machen und Business – das passt nicht“) und endet in einer eskapistischen Lesart von Werlers Biografie: Eine Frau, die in engen Nachkriegsverhältnissen aufwächst, träumt von „Mittelmeerstrand, Palmen, türkisblauem Meer“. Reicht das, um mit einer Maschinenpistole einen Schalterraum zu stürmen? Oder war im Fall der sogenannten Banklady nicht doch eine Art von Mut im Spiel, die man einer Frau lieber nicht zugestehen würde?

Trotz Bonnie Parker oder Kate „Ma“ Barker: Wir sind es gewohnt, hinter der Maske eines Bankräubers einen Mann zu vermuten. Ein lustiges Spiel mit diesen Erwartungshaltungen treibt der Schotte Christopher Brookmyre in seinem parodistisch angehauchten Thriller „Die hohe Kunst des Bankraubs“ (Aus dem Englischen von Hannes Meyer. Galiani Berlin, Berlin 2013, 381 Seiten, 14,99 €): Sein Bankräuber Zal Innez, der gerade eine Glasgower Bank um eine Million Pfund erleichtert hat, ist ein gutaussehender, charmanter Stell-dir-George-Clooney-vor-Amerikaner. Die schöne Polizistin – Jennifer Lopez in „Out of Sight“? – verliebt sich in ihn, klar. Das Bezaubernde an diesem Krimi ist aber nicht die Gentleman-Gangster-Romanze, sondern wie Zal den Banküberfall in ein situationistisches Happening und antikapitalistisches Spektakel verwandelt: Juckpulversalven, Räuber mit Clownsmasken, die sich „Dalí“ oder „Jarry“ nennen, ein heiteres Kunst-Ratespiel und ein paar Szenen aus Becketts „Warten auf Godot“ zur Unterhaltung der Geiseln. Ein Bankraub ist halt immer auch ein Statement!

Zum Schluss noch etwas für Traditionalisten: Der Amerikaner Roger Hobbs ist gerade mal 24 Jahre alt und hat mit „Ghostman“ (aus dem Amerikanischen von Rainer Schmidt. Goldmann, München 2013. 380 S., 14,99 €) einen harten Gangster-Roman alter Schule geschrieben. Sein Anti-Held Jack Delton – Einzelgänger, smart, skrupellos – ist darauf spezialisiert, nach Raubüberfällen gründlich aufzuräumen: „Ich habe im Laufe der Jahre vielleicht hundert Bankräubern geholfen zu fliehen. Dabei geht es nicht nur um Verkleidungen und falsche Pässe und Führerscheine und gestohlene Geburtsurkunden. Man darf sich vor allem nichts anmerken lassen. Du kannst auf der Liste der Top Ten des FBI stehen, und dein Foto kann in jedem Postamt zwischen Maine und Miami hängen, aber wenn du so tust, als wärest du jemand anderes, dann kannst du in der Park Avenue wohnen, und niemand würde etwas merken.“ Doch diesmal hat Delton Pech.

Er soll in Atlantic City nach einem verunglückten Überfall auf einen Geldtransporter die Spuren verwischen und gerät zwischen die Fronten zweier Drogenkartelle. Und dann ist da natürlich noch die super gut aussehende FBI-Agentin, die dem „Ghostman“ in jeder Hinsicht gefährlich nahe kommt. Und: Kennen Sie das? Es ist schwer, ein Rollenmodell hinter sich zu lassen. Die Hamburger Hilfsarbeiterin Gisela Werler hat ihren Versuch damals mit neun Jahren Haft bezahlt.

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