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Verbrecher JAGD: Schlachtfelder, vollautomatisiert

In Technik-Thrillern geht es erst einmal um Kleine-Jungs-Fantasien. Mich hat Daniel Suarez mit dieser Szene sofort gekriegt: Ein Einsatzzentrum der US-Army in Stuttgart, viele Computer, HD-Bildschirme mit Liveaufnahmen aus Brazzaville, der Hauptstadt der Republik Kongo, die von Drohnen geliefert und mit Mapping-Software zu einem 3-D-Bild der afrikanischen Metropole hochgerechnet werden.

In Technik-Thrillern geht es erst einmal um Kleine-Jungs-Fantasien. Mich hat Daniel Suarez mit dieser Szene sofort gekriegt: Ein Einsatzzentrum der US-Army in Stuttgart, viele Computer, HD-Bildschirme mit Liveaufnahmen aus Brazzaville, der Hauptstadt der Republik Kongo, die von Drohnen geliefert und mit Mapping-Software zu einem 3-D-Bild der afrikanischen Metropole hochgerechnet werden. Ziemlich cool, das Ganze. Algorithmen erstellen Bewegungsmuster, erkennen Gesichter und markieren „Problempunkte“, um dem Militär ein möglichst frühes Eingreifen zu ermöglichen, Stichwort „low intensity conflict management“.

Die Frage ist nur, wer im Einsatzzentrum des „United States Africa Command“ den Befehl gibt, einen Terroristen im Kongo mit einer Drohne anzugreifen. Tatsächlich analysieren die Programme nicht nur ein potenzielles Schlachtfeld, sie können auch Exekutionsbefehle erteilen: „Kill Decision“ (Aus dem Amerikanischen von Cornelia Holfelder von der Tann. Rowohlt, Reinbek 2013, 494 S., 12,99 €.) heißt Daniel Suarez’ neuer Roman, in dem sich das Militär darauf vorbereitet, den Menschen aus der „Entscheidungsschleife“ zu entlassen. Suarez ist eigentlich Software-Entwickler. 2006 erschien sein Science-Fiction-Thriller „Daemon“, in dem ein Bot-Netz das Internet übernimmt, ein zumindest in Teilen beunruhigend realistisches Szenario. Kein anderer Schriftsteller beschreibt im Moment die Albträume der digitalen Welt derart detailliert und genau – und zugleich so extrem unterhaltsam. „Kill Decision“ zum Beispiel gleicht auf den ersten Blick einem dieser schmutzigen Polit-Thriller, in denen Elitesoldaten irgendwo in der Dritten Welt unter Einsatz ihres eigenen Lebens die Fehlentscheidungen der Machthaber korrigieren. In diesem Fall geht es um einen amerikanischen Marine mit dem Decknamen Odin, der einer Verschwörung der Waffenindustrie auf der Spur ist. Doch unter dem Genre-Schrott, den Suarez hier lässig verlötet, verbirgt sich ein hochdifferenzierter Blick auf die vollautomatisierten Schlachtfelder der Zukunft: Odin – jetzt bitte nicht zu lange über diesen Namen nachdenken! – führt seine Leser durch die Landschaft der neuen Kriege, mit autonomen Drohnen, die eigenständig über Leben und Tod entscheiden, und mit Schwärmen von insektenartigen Kampfrobotern, die in kürzester Zeit einen gesamten Flugzeugträger in Einzelteile zerlegen können.

Wer es ein bisschen genauer wissen will – und ich wollte es nach „Kill Decision“ unbedingt genauer wissen! –, muss in die Abteilung Sachbuch wechseln. Armin Krishnan, ein deutscher Politikwissenschaftler, der in El Paso lehrt, hat mit „Gezielte Tötung“ (Matthes & Seitz, Berlin 2012, 270 Seiten, 17,90 €.) einen faszinierenden Essay geschrieben. Bei ihm erfährt man unter anderem, dass das von Suarez so verführerisch in Szene gesetzte visuelle Überwachungssystem für den städtischen Raum keine Science Fiction ist, sondern ein sehr konkretes Projekt des amerikanischen Verteidigungsministeriums.

Krishnan klärt allerdings nicht nur den aktuellen Stand der Militärtechnik, er schreibt auch eine Geschichte der „gezielten Tötungen“: von den Ursprüngen in den sechziger Jahren, als die Amerikaner in Vietnam ein Programm zur „Neutralisierung“ von Individuen auflegten und die Israelis Wissenschaftler und Waffenhändler ermordeten, die mit feindlichen Staaten zusammenarbeiteten – bis zur Tötung des Al-Qaida-Terroristen Abu Ali Al-Harethi, dessen Geländewagen im Jahr 2002 in der jemenitischen Wüste von einer Predator-Drohne unter Beschuss genommen wurde.

Der Hintergrund solcher Attentate sind „low intensity conflicts“ in Somalia, im Kongo oder in Afghanistan. Armin Krishnan weist darauf hin, dass diese Auseinandersetzungen trotz der beruhigenden Bezeichnung keinesfalls weniger verlustreich sind als klassische, zwischenstaatliche Kriege. Im Gegenteil: Der Krieg der Zukunft ist ein globaler Partisanenkrieg, der keine Regeln kennt und keine Begrenzungen. Falls noch jemand ein Argument braucht, sich in das Thema einzuarbeiten: Auch die Bundeswehr – Deutschland, das „Zukunftsland“ – plant die Anschaffung von bewaffneten Drohnen. Stand gerade erst in der Zeitung.

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