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Kultur: Verdi: Frank Bsirske - grün ist der Dienstleister

Da ist die Sache mit dem Stallgeruch. Den hat Frank Bsirske nicht.

Da ist die Sache mit dem Stallgeruch. Den hat Frank Bsirske nicht. Dabei soll er Chef der größten Gewerkschaft der Welt werden, von Verdi. Und da ist die Sache mit dem Parteibuch: Er ist kein Sozialdemokrat. Bsirske, Vorsitzender der ÖTV, ist der erste Grüne an der Spitze einer großen Gewerkschaft.

Das sind aber auch schon die einzigen beiden Bedenken, die gegen Frank Bsirske zu finden sind. Und womöglich wiegen sie selbst für eingefleischte Gewerkschafter nicht so schwer. Die Vermutung ist zu belegen: Am 9. November 2000 wird der 49-jährige Niedersachse in Leipzig mit knapp 95 Prozent zum ÖTV-Chef gewählt. Bsirske schläft in der Nacht vor seiner Wahl nicht besonders gut. Aber am Tag hält er eine Rede, die begeistert, Mitglieder wie Medien: Eine "emotionale Beziehung", heißt es, habe Bsirske zu den Delegierten hergestellt. Das sei Herbert Mai nie gelungen. Kurz zuvor hatte Mai ernsthaft befürchtet, Verdi würde scheitern, er werde die nötigen 80 Prozent Zustimmung nicht zusammenbringen. Deshalb tritt Mai auch als ÖTV-Vorsitzender zurück. Bsirske wendet das Blatt - sein erster Erfolg.

Der Mann kommt also an, ohne Stallgeruch, ohne dass er vom Facharbeiter zum Vertrauensmann, zum Betriebsrat, zum Bezirksdelegierten und auf diesem Wege weiter aufgestiegen wäre. Eine Karriere ohne Marsch durch die gewerkschaftlichen Institutionen. Vielleicht kommt Bsirske auch deswegen gut an, weil er das Kommunizieren als Lieblingssport angibt. Reden, Schreiben und Telefonieren sind für ihn Unterdisziplinen. Dieses Talent und die Lust am Kommunizieren hindern den Politologen Bsirske nicht daran, ein harter Arbeiter zu sein. Einer, von dem seine Mitarbeiter sagen, dass er strategisch denke. Dass er einen klaren Kopf behalte und auch schwierige Diskussionslagen zu ordnen verstehe.

Fest steht: Bsirske kann klassische Gewerkschaftsreden halten und Begriffe verwenden wie "Kräfteverhältnis der Klassen". Es klingt bei ihm nicht nach Masche. Er kann aber auch über "produktive Irritationen" sprechen oder über modernes Management, und es eilt ihm auch noch der Ruf eines fähigen Managers voraus. Den hat er sich nicht bei der Gewerkschaft erworben - sondern bei den Arbeitgebern.

Bsirskes Karriere beginnt als Bildungssekretär der "Sozialistischen Jugend Deutschlands - die Falken". Ende der 80er arbeitet er in der Fraktion der Grünen Alternativen Bürgerliste Hannover, anschließend wird er ÖTV-Sekretär. Von 1991 bis 1997 ist er Vize-Chef des ÖTV-Bezirks Niedersachsen. Danach wechselt er die Seiten, wird Personaldezernent in der Stadtverwaltung Hannover. Für 16 000 Beschäftige ist er zuständig.

Als Grenzgänger wird er Brücken errichten müssen, die den Graben zwischen den Anhängern einer Gewerkschaft als "Kampforganisation" und denen einer Gewerkschaft als "Dienstleister" überwinden. Diese Ankündigung mag Frank Bsirske helfen: "Ich bin niemand, der mit seinen Kollegen Versteck spielt."

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