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Verlage: Eiertanz mit Aktionären

Die Verlage Aufbau und Eichborn wollen in Berlin unter ein Dach. Nur wie?

Von Gregor Dotzauer

Der Weg ist das Ziel, lautet eine alte daoistische Weisheit, an die sich auch Verlage gerne hielten, solange sie nicht fürchten mussten, links und rechts des Straßenrandes einsam zu verhungern. In Zeiten übermächtiger Buchhandelsketten wie Thalia und börsennotierter Häuser wie dem Frankfurter Eichborn Verlag lohnt es sich, auch wirtschaftliche Ziele entschlossen im Blick zu behalten. „Unser Ziel ist es“, erklärte Matthias Koch, mit 75 Prozent Mehrheitsgesellschafter des Berliner Aufbau Verlags, bei einer Pressekonferenz mit Eichborn am Freitagvormittag, „beide Unternehmen im Aufbau-Haus zusammenzuführen“.

Die dürre Erklärung, in der beide Verlage getrennt voneinander bekannt geben, sie wollten ab 1. Juni dieses Jahres „im Flächenvertrieb kooperieren“, mit anderen Worten: sich einen gemeinsamen Vertreterstamm leisten, lebt nämlich von einer weitreichenden Vision. Sie lässt sich nur nicht genauer formulieren, weil der Weg dorthin noch unklar ist. Das Bild, das die Vertreter beider Verlage abgaben, spricht stark für einen Eiertanz.

Denn bis auf Ludwig Fresenius, mit etwas mehr als 75 Prozent Hauptaktionär der Eichborn AG, wissen die Anteilseigner des Unternehmens noch nicht Bescheid. Das genaue juristische Prozedere, so wird behauptet, kennt niemand, obwohl die ersten Gespräche zwischen Main und Spree schon vor zwei Jahren stattfanden.

Was es, wie Koch andeutete, für die Mitarbeiter von Eichborn heißt, lediglich „mit einer Kerntruppe nach Berlin zu kommen“, wo Verwaltung und Controlling schon vorhanden sind, ist völlig offen. Kein Wunder, dass selbst die Ankündigung der Vertriebskooperation nur auf einem „Letter of intent“ beruht. Auch das Aufbau-Haus am Moritzplatz, ein von Koch ersonnenes Kreativzentrum mit Theater, Club, Buchhandlung, Café und Galerie (www.aufbauhaus.de), in dessen obere Etagen der Verlag einziehen soll, ist noch eine einzige Baustelle.

Wirtschaftlich geht es um das Erreichen einer kritischen Größe, die beide Verlage getrennt voneinander kaum mehr erreichen. Tom Erben, Geschäftsführer von Aufbau, beziffert das Umsatzvolumen seines Hauses auf 14 Millionen Euro, zusammen mit Eichborn käme man dann auf rund 25 Millionen Euro. Schon heute ist es für beide konzernunabhängige Verlage aber eine Gnade, von big players in der Distribution wie Thalia überhaupt noch zur Audienz vorgelassen zu werden und die eigenen Titel ins dortige Zentrallager zu verkaufen.

Zusammen erhofft man sich mehr Einfluss – und weniger schmerzhafte Rabatte. Denn nur noch 20 bis 30 Prozent des Umsatzes laufen, wie Eichborn-Vorstand Stephan Gallenkamp erklärte, über den unabhängigen Buchhandel, dem die Neuverbündeten durch die größere Titelauswahl bald individuellere Vertreterangebote machen wollen. Den restlichen Umsatz generieren die Ketten und Amazon. Oder anders: Die Hälfte des Umsatzes basiert auf den zehn größten Kunden.

Es führt, wie Aufbau-Programmgeschäftsführer René Strien sagt, also nicht weit, sich als mittelständisches Medienunternehmen lediglich „inhaltsgetrieben“ zu präsentieren. Insofern ist es überlebensnotwendig, gemeinsam stark aufzutreten. Fest steht aber auch, dass die Wirtschaftsallianz in einen Verlag mit zwei voneinander unabhängigen Dachmarken münden soll. Aufbau und Eichborn wollen weiterhin getrennte Lektorate unterhalten.

Hier wird es, wenn die Umzugswehen einmal überstanden sein sollten, wirklich interessant. Denn Aufbau und Eichborn haben zwar das Glück, jeweils von einer eigenen, wahrscheinlich längst überlebten Markenaura zu profitieren: Aufbau von seiner ostdeutschen Tradition, Eichborn von den Frechheiten der frühen Jahre. Ein wirkliches Gesicht jedoch fehlt beiden. Letztlich konkurrieren sie auf dem nationalen und internationalen Markt um dieselben Bücher, und es hilft dabei nicht im Geringsten, dass Aufbau nun auch gegen den Rest der deutschen Buchwelt bei amerikanischen Bestsellern im sechsstelligen Bereich mitbietet. Die erklärte Absicht, einander nicht zu kannibalisieren, ist zumindest im Moment programmatisch ein frommer Wunsch. Oder sie führt dazu, dass sich beide Verlage tatsächlich von Grund auf neu ausrichten.

Jeder von ihnen hat noch eine Handvoll markanter Autoren – und Eichborn die wunderbare „Andere Bibliothek“. Nach der Abwicklung von Eichborn Berlin und dem Wechsel von Wolfgang Hörner zum Kiepenheuer & Witsch-Imprint Galiani hat Eichborn sein deutschsprachiges Gegenwartsprofil aber weitgehend verloren – und Aufbau jenseits von Richard Wagner nie eines gewonnen: Thomas Lehr hat sich auch schon wieder aus dem Staub gemacht. Wer in dieser Kooperation der Starke und wer der Schwache ist, darüber entscheiden irgendwann also auch Ideen – wenn die Köpfe, die sie ausbrüten könnten, dann nicht gerollt sind.

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