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Zehn mal zehn Zentimeter waren die Bücher der Edition Kleinlaut aus dem schwäbischen Unsichtbar-Verlag, kunstvoll illustrierte Miniaturen.

© Unsichtbar-Verlag

Verlage: Wem gehört das Pixi-Format?

Der große Carlsen Verlag hat dem kleinen schwäbischen Unsichtbar-Verlag untersagt, eine Edition kunstvoll illustrierter Literatur im Format zehn mal zehn Zentimeter herauszugeben. Wegen der Pixibücher. Viele Leser sind empört, vor allem auf Facebook und Twitter.

Es waren hübsche Miniaturen, für Freunde kunstvoll illustrierter Literatur. Elf Titel umfasste die Edition Kleinlaut des auf junge deutsche Gegenwartsliteratur spezialisieren schwäbischen Unsichtbar Verlags. Zehn mal zehn Zentimeter maßen die „kleinen Bücher für große Menschen“ (Verlagswerbung); neben Text-Foto-Essays gehörte dazu auch die verspielte Science-Fiction-Story „Jackson Norby“, eine Gemeinschaftsarbeit des Illustrators Simon Höfer mit dem 5-jährigen Verlegersohn Lenn. Die Geschichte basierte auf Lenns abenteuerlichen Tagträumen. Mit ihrem Charme und dem handlichen Format erntete die Reihe viel Zuspruch – bis Verlagschef Andreas Köglowitz kurz vor der diesjährigen Leipziger Buchmesse Post von einer Anwaltskanzlei erhielt. Die forderte ihn im Namen des Hamburger Carlsen-Verlags auf, eine Unterlassungserklärung zu unterzeichnen und die Edition Kleinlaut einzustellen.

Was war geschehen? Carlsen sah seinen exklusiven Anspruch auf das Buchformat zehn mal zehn Zentimeter gefährdet, die Größe der beim Hamburger Verlag erscheinenden Pixi-Bücher, mit denen schon viele Kindergenerationen groß geworden sind. Es handelt sich, so die Verlagswerbung, um "die erfolgreichste Bilderbuchreihe aller Zeiten“. Diesen Superlativ will Carlsen mit allen Mitteln verteidigen, auch wenn der Unsichtbar Verlag „extrem sympathisch“ sei. "Wir mussten ihm formaljuristisch eine Abmahnung zukommen lassen“, sagt Markus Dömer, Leiter der Geschäftsfeldentwicklung bei Carlsen.„Wir haben in den vergangenen Jahrzehnten mehr als 300 Millionen Pixibücher verkauft, das Format ist ein zentraler Bestandteil der Marke geworden.“, erklärt er. "Deswegen müssen wir aus juristischen Gründen immer dagegen vorgehen, wenn jemand dieses Format kopiert, um keinen Präzedenzfall zu schaffen." Sonst drohe die Gefahr, dass sich größere Konkurrenten darauf berufen könnten. "Angesichts von rund 15 Millionen verkauften Pixibüchern im Jahr geht es hier ums Prinzip."

Der Unsichtbar Verlag hat für das Vorgehen von Carlsen, das vergangene Woche zum Aus der bisherigen "Edition Kleinaut" geführt hat, durchaus ein gewisses Verständnis.Der Hamburger Verlag unterliege nun mal bestimmten Zwängen. Das eigentliche Übel sei die Rechtslage, die es überhaupt möglich macht, auf bestimmte Buchformate einen „Gebrauchsmusterschutz“ anzumelden, sagt Unsichtbar-Verleger Köglowitz. Bei vielen Freunden illustrierter Bücher provozierte das Vorgehen von Carlsen, der dank zahlreicher grafischer Bücher und Comics von "Tim und Struppi" bis hin zu den Werken von Tagesspiegel-Zeichner Flix einen sehr guten Namen in der Szene hat, hingegen eine Welle der Entrüstung. Die entlud sich vor allem in Internet-Foren wie Facebook und Twitter.

Neben vereinzelten Kommentaren, die Verständnis für das Vorgehen von Carlsen zeigten, äußerten zahlreiche Leser ihr Unverständnis darüber, dass ein Branchengigant, bei dem unter anderem die "Harry Potter"-Bücher erscheinen, einen Kleinverlag attackiert. Der populäre Comicblogger Johannes Kretzschmer alias Beetlebum (blog.beetlebum.de) verarbeitete seine Empörung in einem Online.Strip, in dem sein gezeichnetes Alter Ego fragt, wie er noch Carlsen-Comics kaufen könne, wenn er annehmen müsse, dass sein Geld der „Verteidigung von kulturhemmenden Patenten für eine fragwürdige Schöpfungshöhe“ diene. Simon Höfer, einer der betroffenen Künstler, reagiert mit Galgenhumor auf die Tatsache, dass ein Verlag ein Buchformat komplett für sich beanspruchen kann. „Soll ich jetzt Geld sparen und mir ein Patent auf DIN A4 besorgen, um anschließend die ganze Welt zu verklagen?“ , fragt er sarkastisch.

Höfer sieht sich durch den Vorgang in seiner Weltsicht bestätigt, "dass der Arschloch-Faktor einer Firma meistens zusammen mit ihrer Größe und ihrem Erfolg steigt und dass dieser ganze Kohle-Business-Kram sich viel von Ellenbogeneinsatz und Herzlosigkeit nährt".

Auf bis zu 6000 Büchern bleibt der Unsichtbar Verlag sitzen. Bücher, die Verleger Köglowitz aus rechtlichen Gründen nicht einmal mehr verschenken darf, wie er sagt. Er schätzt den Schaden beträgt auf bis zu 10.000 Euro, für einen Verlag seiner Größe ein herber Rückschlag. Noch überlegt er, ob er die Bücher als letzten Protestakt demonstrativ verbrennen soll, um die "Sinnlosigkeit" der aktuellen Rechtslage anzuprangern - ein angesichts der Erinnerung an die nationalsozialistischen Bücherverbrennung ein eher dummer Gedanke.

Zum Glück geht es ja nur um wenige Zentimeter, die Recht und Unrecht voneinander trennen: Deshalb plant der Verleger eine neues Leben für die Edition Kleinlaut; in zwei bis drei Monaten soll sie wieder aufgelegt werden. Und zwar im Format zehn mal zwölf Zentimeter. Carlsen hat nichts dagegen. Eigentlich, so Verlagsmanger Dömer, findet man die Werke der Konkurrenz nämlich „ganz schön“.

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