zum Hauptinhalt

Kultur: Verletzte Grenzen

Ein Film aus Wind.Wind ist seine Sprache.

Ein Film aus Wind.Wind ist seine Sprache.Und wenn die Menschen beginnen zu reden, dann nur durch den Wind hindurch.Eine Zweitsprache, nicht wichtig.Der Wind spielt mit ihr.Fährt zwischen die Worte, trägt sie weg, bringt sie zurück.Es ist sogar dem Wind zu langweilig hier oben.Jeder weiß, daß die Hochebene ihm gehört.

Kann man mit einem Film über den Wind Preise gewinnen? "Dance of Dust" bekam den Silbernen Leoparden auf den Filmfestspielen von Locarno.Im Iran ist er nie gezeigt worden.Man ist erstaunt über die Sicherheit seiner filmischen Wahrnehmung.Über diesen sagenhaften Zusammenklang des Artifiziellen, Hochstilisierten, mit dem Einfachsten, mit dem, was uns so fern und doch am nächsten ist.Abolfazl Jalili, der Iraner, dreht einfach einen Film.Einen Windfilm, der doch ein Menschenfilm ist.Manchmal läuft Llia auf die Hügel hinauf und sieht dem Wehen zu.Dem Wegwehen.Dem Zuwehen.Llia hat oft keine Lust mehr, im Steinbruch zu arbeiten.Der Wind läßt sich nie was anmerken.Dabei ist seine Arbeit mindestens so eintönig wie die Llias.Der Wind ist viel stärker als Llia.Manchmal tut es ihm weh, macht es ihn wütend - und manchmal glücklich.Nur heute hört und sieht Llia den Wind nicht.Denn ein Mädchen kommt ins Dorf.Es ist zwölf, genau wie er.Limua.Limua wird einen Sommer lang mit ihrer Mutter bei den Steinen arbeiten.Jeder andere hätte jetzt wohl die Geschichte der beiden Kinder erzählt.Abolfazl Jalili nicht.Er berührt sie immer wieder, aber er malt sie nie aus.Jalili macht statt dessen einen Film über das, was er sieht: Menschen, die bei den Steinen arbeiten.Ziegelsteine brennen sie.Manchmal kommt ein Lastwagen und bringt ihnen Hunderte Zeitungen.Dann nimmt sich jeder eine Zeitung und beginnt zu lesen.Araber, Türken, Kurden.Saisonarbeiter.Analphabeten.Die Zeitungen bekommen sie für die Luftzufuhr an den Öfen."Dance of the dust" kommentiert nichts, er zeigt nur.Seine Bilder sind beredter als Sprache.Die Menschen sehnen sich nach Regen.Und fürchten nichts so sehr wie ihn.Der Regen macht die Wüste grün.Er wäscht die kaum trockenen Ziegel wieder zu Lehm.Auch jenen, den Limua Llia gab, einen Abdruck ihrer Hand darin? Spielfilm? Dokumentarfilm? Irgend etwas in der Mitte zwischen beiden.Eine präzise Grenzverletzung.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false