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Kultur: Verlorene Paradiese

JAZZ

Ein Aufschrei ging durch die Jazzwelt, als John Coltrane 1965 seine Free Jazz-LP „Ascension“ veröffentlichte. Unerhört damals, eine Musik von solch brachialer Gewalt, und zugleich ein Befreiungsschlag gegen die Konventionen des Hardbop. Doch schon Coltrane musste zwei Missverständnisse aufklären: Erstens war Free Jazz nie wirklich frei – man erkannte ihn sofort an seinen eigenen Codes, den Saxophonschreien, den aufgelösten Rhythmen. Zweitens brauchten Musiker dafür spezielle Fertigkeiten, Dilettanten kamen nicht weit. Klaus Theweleit , der Freiburger Sozialwissenschaftler, trifft sich seit dreißig Jahren einmal in der Woche mit seinen Freunden, um eine Stunde frei zu improvisieren. Doch 30 Jahre Zeit für Reflexion waren nicht genug: Theweleits Trio „ BST “ tappt in der Volksbühne gleich in beide Fallen.

Jazzgitarre, Geige und Cello streichen sie mit dem Bogen und entfalten diffuse Klangflächen. Das Problem: Mit ihren Sounds hängen sie einer 35 Jahre alten Ästhetik nach, ohne diesen Verweis explizit zu machen. Diedrich Diederichsen drückt es im Pausengespräch diplomatisch aus: „Hier taucht eine Musik auf, die ich verloren gegangen glaubte“. Noch schwerer aber wiegt das zweite Missverständnis. Weil keiner der drei sein Instrument beherrscht, bleibt nur die Holzhammermethode, um das erklärte Ziel, die spontane Interaktion, zu erreichen. Quietscht der eine ein bisschen lauter, quietschen die anderen auch ein bisschen lauter. Keine Subtilität, nirgends. In der Pause gesteht der Geiger Christian Schäfer: „Das ist Musik, die ich mir nicht für andere Ohren vorstelle“. Dem Publikum geht es ähnlich. Das BST-Konzert endet ohne Zugabe.

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