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Usher gab sich Mühe, doch hielt nicht lange durch.

© dpa

Verpatzter Auftritt: Verletzte beim Usher-Konzert

Es läuft nicht rund für Usher in Berlin. Erst musste er sein Konzert absagen, beim Nachholtermin konnte er nur vier Songs singen und dann gab es auch noch Verletzte.

Von Jörg Wunder

Berlin war 2011 kein gutes Pflaster für R'n'B-Superstar Usher. Bereits am Mittwoch musste sein in der O2-World angesetztes Konzert kurzfristig abgesagt werden – und kurzfristig bedeutet in diesem Fall, dass erst nach der Vorband und dem Set des britischen HipHop-Newcomers Tinie Tempah gegen 21 Uhr verkündet wurde, der Star des Abends könne aus Krankheitsgründen nicht auftreten. Bei den Fans brodelte die Gerüchteküche, offiziell war später die Rede von einer Mittelohrenentzündung mit Sinuskomplikation, die seinen Gleichgewichtssinn beeinträchtige. Aber auch die weniger schmeichelhafte Vermutung, Usher hätte mit seinen Buddies in irgendwelchen Berliner Cocktailbars zu tief ins Glas geschaut, machte die Runde.

Am Donnerstag wurde dann vom Konzertveranstalter die Meldung verbreitet, dass das Konzert noch am selben Abend in der O2 World nachgeholt würde. Der Star sei „über Nacht so weit genesen, dass seine Show ohne Komplikationen nachgeholt werden kann.“ Usher selbst drückte sein Bedauern über den Ausfall wie folgt aus: „Es tut mir wirklich sehr leid für meine Fans und ich entschuldige mich für die Unannehmlichkeiten, die die Verschiebung des Konzerts mit sich bringt. Ich war krank und ich habe gefühlt, dass ich nicht die Show hätte präsentieren können, die meine Fans verdienen. Ich freue mich darauf, heute Abend zu performen und den Berlinern und ihren Gästen eine fantastische Show zu zeigen.“

Donnerstag Abend pilgerten also wiederum ca. 15.000 Fans, diesmal in strömendem Regen, in die O2 World. Viele von ihnen, wenn man die Kennzeichen der rund um die Halle geparkten Autos betrachtete, mit durchaus längerer Anfahrt. Die Stimmung war vielleicht noch etwas aufgekratzter als am Vorabend, und die Ankündigung, dass es diesmal „nur“ und dafür ohne Verzögerung den Hauptact zu sehen geben würde, sorgte für ungeduldiges Gedrängel beim Einlass. In der Halle selbst ging es dann doch etwas behäbiger zu. Um 20 Uhr, zum angekündigten Anfangszeitpunkt, war das Personal noch damit beschäftigt, die Beleuchter mit einer Seilwinde auf die große Lichttraverse vor der Bühne hochzuziehen. Dabei kam es gegen 20.15 Uhr zu einem Zwischenfall, als eine Metallkette aus 14 Meter Höhe zwischen die sich bereits vor der Bühne drängenden Zuschauer herabfiel. Nach Polizeiangaben wurden drei junge Frauen leicht verletzt. Zwei von ihnen mussten anschließend in einer Klinik ambulant behandelt werden.

Im Nachhinein mag man das als schlechtes Omen für den dann folgenden Auftritt deuten. Eine gefühlte Ewigkeit müssen die Fans noch die Animations-Versuche eines DJs über sich ergehen lassen, ehe um 20.35 Uhr endlich das Saallicht erlischt. Lichtkaskaden, herumwirbelnde Tänzer im futuristischen Mad-Max-Outfit, dann ohrenbetäubender Jubel, als Usher auf einer Empore im Hintergrund der Bühne erscheint: Ausgestattet mit verspiegeltem Cyber-Motorradhelm und Lederjacke tanzt er sich zu den ballernden Funk-Beats von „Monstar“, einem Stück von seiner letzten Platte „Raymond vs. Raymond“, mit roboterartigen Moves zur Bühnenmitte, wo er – noch ohrenbetäubender Jubel – den Helm abnimmt.

Ist er wirklich fit? Man kann es jetzt noch nicht sagen, obwohl er schon beim ersten Stück andauernd an seinem Headset rumfummelt, damit er überhaupt mal mit kurzen „Berlin“- oder „How are you?“-Rufen zu hören ist. Der Gesang kommt hingegen größtenteils vom Band, was bei Auftritten dieser Größenordnung allerdings keine Seltenheit ist – Perfektion geht hier im Zweifelsfall eben doch über Authentizität. Und wahrscheinlich gäbe es kaum Beschwerden darüber, wenn die Show stimmen würde. Doch schon bei den folgenden beiden Stücken, darunter sein absoluter Superhit „Yeah“ aus dem Jahre 2004, wird deutlich, dass der 32-jährige Texaner nicht in Bestform ist. Kaum kann er mithalten mit seiner Tänzerinnenschar, seine Bewegungen wirken müde, erschlafft, auch wenn er mit der sukzessiven Entblößung seines wohltrainierten Oberkörpers vor allem den weiblichen Fans immer noch mehr spitze Entzückensschreie entlocken kann.

Beim vierten Stück „You Remind me“ dann der erste Bruch: Mitten in der Nummer, als die Nöte des Sängers kaum noch zu übersehen sind, verschwindet Usher von der Bühne. Um die aufkommenden Buhrufe zu übertönen, nimmt der DJ hektisch wieder seine Arbeit auf und spielt ein Medley älterer Usher-Hits, zu denen Ausschnitte seiner Videos eingeblendet werden, die den desolaten Zustand des Stars erst recht verdeutlichen: In Bestform ist Usher ein Performer, der mit einigem Recht als einer der wenigen möglichen Nachfolger von Michael Jackson gehandelt wurde.

Doch davon ist er an diesem Abend weit entfernt. Nach gut zehn Minuten ist er zwar wieder da, tanzt sich tapfer durch zwei weitere Dancefloor-Nummern, wobei er schon beim versuchten Klimmzug an einem eigens hereingefahrenen Klettergerüst keine gute Figur macht. Bei der Ballade „My Boo“ kommt dann der Moment der Wahrheit: Usher muss allein ans Mikro, doch es klingt, als würde ein verschnupfter Frosch singen. Er hält inne, versucht es nochmals, bricht dann endgültig ab. Steht zum instrumentalen Playback minutenlang da, während ihn ein Sturm von Pfiffen und Buhrufen umtost. Es ist ein erschütternder, irritierender Moment. Die Illusionsmaschine der Popmusik, die wohl in keinem Genre so perfektioniert wurde wie in der urbanen Tanzmusik, kommt mit dem Versagen des Stars zum völligen Stillstand. Usher beugt den Kopf, breitet die Hände entschuldigend aus, stammelt „Thank you, Berlin“ und „I'm so sorry. Promise, I'll be back“.

Der bedauernswerte DJ dreht nochmal richtig auf, doch seine „HandsUp“-Anfeuerungsrufe zu beliebigen Eurotrash-Beats wirken jetzt noch deplatzierter. Etwas Unerhörtes ist geschehen, und die Fans spüren dies offenbar sehr genau. Trotz der verständlichen Enttäuschung bleibt das Publikum seltsam gefasst, als der Tourmanager nach knapp 50 Minuten den Abbruch des Auftritts verkündet: „Usher is so sorry. He tried, but he is too sick“. Einige Plastikbecher fliegen Richtung Bühne, doch die Halle leert sich rasch und äußerst diszipliniert. Im Foyer diskutieren Ordner mit den Fans, es geht hauptsächlich um die Frage, ob die Tickets erstattet werden, was inzwischen von Veranstalterseite ebenso bestätigt wurde wie die Absage des für den folgenden Abend geplanten Konzerts in Oberhausen.

In tausenden Kommentaren in den Internet-Foren halten sich Wut, Enttäuschung, Bedauern und Mitleid etwa die Waage. Nicht wenige machen ihrem Zorn über zwei misslungene Abende in wüsten Beschimpfungen Luft, viele andere indessen rechnen es Usher hoch an, dass er es wenigstens versucht hat. Ein einmaliges Erlebnis dürfte der zweimalige Konzertabbruch des erfolgreichsten R'n'B-Künstlers der letzten zehn Jahre auf jeden Fall gewesen sein.

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