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Kultur: Verschenkt

Berlins Orchester greifen den Symphonikern unter die Arme

Die Initiative passt in die Vorweihnachtszeit: Wenn „Messias“ und „Weihnachtsoratorium“ auf den Konzertprogrammen stehen, praktizieren auch Berlins Musiker Nächstenliebe. So scheint es zumindest. Mit einem Aufsehen erregenden Vorschlag sind vier Berliner Orchester jetzt an die Öffentlichkeit getreten, um die abwicklungsbedrohten Symphoniker zu retten. Analog zum hiesigen Tarifabschluss für den öffentlichen Dienst wollen die Musiker der drei Opernorchester und des Berliner Sinfonie-Orchesters (nach der tariflichen Anhebung um 2,4 Prozent) auf bis zu zwölf Prozent ihres Gehaltes verzichten, um damit die gut drei Millionen Euro zu erbringen, die zum Erhalt des kleinsten Berliner Orchesters jährlich nötig sind. Den damit verbundenen Anspruch auf Freizeitausgleich wollen sie nur zu einem Teil wahrnehmen, damit die Häuser die Zahl ihrer Vorstellungen nicht reduzieren müssen.

Das klingt fast zu edelmütig, um wahr zu sein – erst recht, wenn man noch die jahrelangen Rangeleien zwischen dem Orchester der Deutschen Oper und der Staatskapelle um Sockenzulagen und Tarifeinstufungen im Ohr hat. Und wenn man sich daran erinnert, dass die Deutsche Orchestervereinigung, die diesen Vorschlag mit den Orchestern ausgearbeitet hat, bislang als die zäheste aller Gewerkschaften galt. Doch so selbstlos, wie das Angebot klingt, ist es leider nicht:Denn mit der Angleichung an den Tarifvertrag fordern die Musiker zugleich den damit verbundenen Kündigungsschutz bis 2009. Das angebliche Symphoniker-Opfer dient damit auch einer Sicherung der eigenen Existenz.

Die nämlich ist für die drei Opernorchester mit Inkrafttreten der Berliner Opernstiftung im kommenden Januar und für das Berliner Sinfonie-Orchester mit dem Vertragsende ihres Chefdirigenten Eliahu Inbal 2005 in Gefahr. Weil schon jetzt absehbar ist, dass die Haushaltslage der Stadt noch weitere Sparopfer von den Kulturinstitutionen verlangen wird. Denn in der mittelfristigen Finanzplanung sind schon jetzt weitere sechs Millionen Einsparsumme bei den Orchestern vorgesehen. Die Annahme dieses Angebots würde jedoch eine Festschreibung des Status quo bedeuten. Darauf wird sich Kultursenator Thomas Flierl wohl kaum einlassen, auch wenn er die Initiative erst einmal pflichtschuldigst begrüßt und „umgehend Gespräche über Detailfragen aufnehmen“ will. Doch zu verschenken hat er nichts. Nicht einmal zu Weihnachten.

Jörg Königsdorf

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