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Monet Seerosen

© dpa

Versteigerung: Ein halbes Dutzend Liebhaber

51 Millionen Euro für Monet: Die Sommerauktionen bei Christie’s und Sotheby’s bringen neue Rekorde. Bis 30 Millionen Pfund waren ein halbes Dutzend Hände in der Luft und zeigten an, wie mit steigenden Öl- und Rohstoffpreisen das Geld in den Kunstmarkt strömt.

Stratosphärisch teure Trophäen und unbekannte, von enthusiastischen Sammlern aufgespürte Kunstwerke rieben sich in den Londoner Sommerauktionen bei Christie’s und Sotheby’s die Schultern. Die TV-Kameras waren während der Abendauktion von Christie’s auf jenes Gemälde gerichtet, das Kunstgeschichte, Mode und Marketing an die höchste Stelle der Begehrlichkeit gerückt hatten: Claude Monets „Bassin aux nymphéas“, 1919 vom Künstler teuer verkauft, damit er seinen luxuriösen Lebensstil finanzieren konnte. Heute ist es das beste von Monets ganz dem 20. Jahrhundert zugehörigen Spätwerken, das man für Geld noch haben kann.

Nie wurde in London um ein Werk der Spitzenklasse auf so hohem Niveau von so vielen Interessenten geboten. Bis 30 Millionen Pfund waren ein halbes Dutzend Hände in der Luft und zeigten an, wie mit steigenden Öl- und Rohstoffpreisen das Geld in den Kunstmarkt strömt. Gewinner war eine Kunstberaterin in der ersten Reihe. 41 Millionen Pfund betrug der Preis, umgerechnet 51 Millionen Euro, das Doppelte der Schätzung.

In derselben Auktion erregten Werke der Fürther Sammlung Hoh Spitzenpreise: Ein Telefonkäufer ließ sich hintereinander drei Werke der internationalen Avantgarde zuschlagen, die vor ein paar Jahren, bevor die russischen Interessenten auf den Geschmack kamen, nicht viel Aufsehen erregt hätten: Wladimir Baranoff-Rissinés „Der Rhythmus (Adam und Eva)“ kostete 2,7 Millionen Pfund, ein sprühendes kubo-futuristisches Blumengemälde von Natalia Gontscharowa brachte den Rekordpreis von 5,5 Millionen Pfund und Vera Rocklines kubistisches Gemälde „Kartenspieler“ zwei Millionen Pfund. Zusammen spielten diese drei Bilder fast die Gesamtschätzung der knapp 90 Lose aus der Sammlung Hoh ein, um die noch kurz vor der Auktion ein Streit getobt hatte (s. Tagesspiegel vom 22.6.) Die angekündigte Klage wurde laut Hoh allerdings bisher nicht erhoben. Er selbst sieht einem Rechtsstreit „gelassen entgegen“ und kann für mehrere Werke, darunter von Schmidt-Rottluff, Quittungen des Auktionshauses Sotheby’s vorlegen.

Das Bild von Gontscharowa habe er damals nur bekommen, weil es niemand haben wollte, sagt Hoh heute. „Mich interessieren Künstler ungeachtet ihres Bekanntheitsgrades, ihrer Herkunft oder dem Preis für ihre Werke“, hat er einmal erklärt. Aber sind Gontscharowas Blumen wirklich zehnmal besser als der holländische Avantgardist Leo Gestel, dessen explosives Gladiolenbild gerade einmal 505 250 Pfund kostete?

Nur fünf Prozent seiner Werke seien höher geschätzt worden als ihr Erwerbspreis, sagt Hoh. Einige seiner liebsten Lose fanden sich versteckt bei den Papierarbeiten und waren wohlfeil zu haben. So wie Josef Albers’ Entwurf für ein Glasbild aus der Bauhauszeit. Es erzielte 58 850 Pfund, geschätzt waren 10 000 bis 15 000 Pfund. Oder die auf 600 bis 800 Pfund taxierte und bei 2500 Pfund verkaufte Federzeichnung von Thomas Ring, der einmal zu Herwarth Waldens expressionistischem Kreis um die Zeitschrift „Sturm“ gehörte, aber nun vergessen ist.

Zwei Signale gab es: Der Impressionismus hat als Marktgröße keineswegs ausgedient, und die futuristische Avantgarde erlebt einen großartigen Aufschwung. Nach dem „Bassin aux nymphéas“ von Monet war Gino Severinis „Danseuse“ das teuerste Bild, eine in Primärfarben und Formen zerlegte Ballerina, die sich in endloser Bewegung im Auge des Betrachters immer wieder auflöst und neu zusammensetzt. Die Taxe schien mit sieben bis zehn Millionen Pfund hoch, aber der Endpreis war höher: 15 Millionen Pfund (18,9 Millionen Euro), das Siebenfache des bisherigen Severini-Rekords.

Auch Picasso hatte einen starken Tag: „La Carafe“, einer jener seltenen, und oft erstaunlich schwach bebotenen Kubisten, wurde auf 3,7 Millionen Pfund gesteigert. Sotheby’s hatte das dritte Porträt Picassos von Dora Maar (1939) im Angebot: Es stammte aus der Privatsammlung des verstorbenen norwegischen Kunsthändlers Haaken Christensen, hatte die beste Provenienz, war kleiner und dichter, mit kraftvoll gesetzten Pinselstrichen und wurde nun mit 7,8 Millionen Pfund noch teurer als das Bild von Berggruen im Februar. Weitere hohe Zuschläge waren ein tadelloses Tänzerinnen-Pastell von Edgar Degas für 13,4 Millionen Pfund. Es besitzt jenen modernen Touch, den Sammler heute lieben. Eine Skulptur Giacomettis mit drei Schreitenden kam auf das Doppelte seiner Schätzung: 9,4 Millionen Pfund. Nur Monets ebenfalls eingeliefertes reines Impressionistenbild wurde mit 7,8 Millionen Pfund unter seinem letzten Auktionspreis von elf Millionen Pfund verkauft.

Es triumphierte nicht nur der teure Monet, sondern auch die Zuversicht, mit der Kunst aus allen Schulen, Ländern und in allen Preisklassen gekauft wurde. Die Absatzraten waren so hoch wie sonst in den letzten Jahren nur bei den Zeitgenossen. Bevor die Auktionen mit den teuren Werken von Bacon, Freud und Jeff Koons überhaupt begonnen haben, wurde in London bereits Kunst für umgerechnet 380 Millionen Euro verkauft. Nächste Woche werden wir sehen, ob sich die Käufer vielleicht vom Contemporary-Markt dem weniger überreizten, klassischen Moderne-Markt mit seinem besseren „Preis-Leistungs-Verhältnis“ zuwenden. Am Vertrauen in die Kunst hat sich nichts geändert, sei sie Geldanlage, Lifestyle-Accessoire oder Abenteuer für Entdecker.

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