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Von Hans Poelzig entworfen: Das Haus des Rundfunks an der Masurenallee.

© dpa

Versteigerung von Poelzig-Skizze: Das Schauspielhaus auf Serviette

Das Berliner Auktionshaus Bassenge versteigert den Nachlass von Hans Poelzig. Darunter befinden sich auch drei Viertel der Serviette, auf welcher der Architekt 1919 seine ersten Ideen für das Große Schauspielhaus skizzierte.

Es scheint ein anregendes Essen mit Max Reinhardt gewesen zu sein, bei dem der Architekt Hans Poelzig erste Ideen für das Große Schauspielhaus auf eine Papierserviette skizzierte. Drei Viertel dieser Serviette von 1919 mit insgesamt drei Außenansichten werden nun im Rahmen der Sonderauktion „Hans Poelzig. Der zeichnerische Nachlass“ im Berliner Auktionshaus Bassenge versteigert. Das fehlende Viertel erhielt sich in Reinhardts Nachlass.

Als die Berliner Akademie der Künste 2007 Poelzig eine Retrospektive widmete, konnten die Kuratoren auf Zeichnungen, Fotografien und Schriftstücke aus diesem in Familienbesitz erhaltenen Privatnachlass zurückgreifen. Unversehrt ist das Konvolut inzwischen nicht mehr, tauchten doch in den letzten Jahren immer wieder Einzelblätter im Kunsthandel auf. Institutionen wie das New Yorker MoMA haben sich längst die ein oder andere Rosine aus dem Kuchen gepickt. Bei Bassenge versteigert wird nun ein schöner Torso: über 600 Einzelblätter, Zeichnungen von Hans Poelzig – und einige seiner Frau, der Bildhauerin Marlene Moeschke-Poelzig –, dazu Skizzenhefte und Fotografien von Poelzigs realisierten Bauten. Die Gesamtschätzung des in 125 Lose geteilten Konvoluts summiert sich auf 272 900 Euro, das Limit liegt bei knapp 200 000 Euro.

Dem Auktionshaus kann man keine Vorwürfe machen - wohl aber den Museen

Weshalb befindet sich eine Sammlung wie diese nicht längst in einer Institution? Etwa im Architekturmuseum der TU Berlin, das bereits Poelzigs Büronachlass mit über 5000 Handzeichnungen, Lichtpausen und Fotografien verwahrt. Dessen Direktor Hans-Dieter Nägelke bestätigt, dass man mit den Erben – damals lebten noch Poelzigs Töchter Marlene und Angelika – vor einigen Jahren bereits fast handelseinig gewesen sei. Nägelke verhandelte über eine Ankaufssumme im mittleren sechsstelligen Bereich und hatte die Kulturstiftung der Länder als Finanzierungspartner gewonnen. Doch dann starb Marlene, der avisierte Preis stand erneut zur Diskussion, aus dem bereits geschnürten Bündel wurden Arbeiten herausgelöst und verkauft.

Nicht nur aus Sicht von Architekturhistorikern stellt sich die endgültige Zerstreuung des zeichnerischen Nachlasses 78 Jahre nach Poelzigs Tod als Supergau dar. Dem beauftragten Auktionshaus ist das kaum anzulasten: Simone Mattow und ihre Kollegen haben das Konvolut sorgfältig gesichtet und in einem eigenen Katalog dokumentiert – damit zumindest zwischen zwei Buchdeckeln zusammenbleibt, was zusammengehört. Neben visionären und oft genug Papier gebliebenen Bauprojekten wie dem Salzburger Festspielhaus entwarf Poelzig ausgefallene Bühnenbilder und Filmarchitekturen. Für Theaterhistoriker aufschlussreich sind die Entwürfe zu Goethes „Faust“ (Taxe: 1200–3500 Euro), filmgeschichtliche Relevanz beanspruchen Blätter zum expressionistischen Stummfilmklassiker „Der Golem “ (1920) von Paul Wegener, wo Poelzig den kompletten Set entwarf (Taxe: 1800–3000 Euro).

All dies erinnert nicht nur an die Bandbreite eines großen Künstlers, sondern ebenso an die Frage, warum sich hier nicht rechtzeitig mehrere geeignete Institutionen von der Stiftung Deutsche Kinemathek bis zum Architekturmuseum Breslau zum Erwerb zusammentaten? Für den finalen Kraftakt aller Gutwilligen, in gemeinsamer Verantwortung Hans Poelzigs zeichnerischen Nachlass für die Nachwelt zu sichern, scheint es mittlerweile zu spät.
Bassenge Berlin, Erdener Str. 5a, Auktion 103: Vorbesichtigung bis 29.5., Auktionen: 29.–31.5, Sonderauktion Poelzig: 30.5., 18.30 Uhr. www.bassenge.com

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