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Kultur: Versuch einer Orgie

Friedrich der Große erging sich bekanntlich, bevor er selbst den Thron bestieg, mit ebenso leidenschaftlicher wie trotziger Ausschließlichkeit in Schöngeistigem statt in der Würdigung der preußischen Armee - was seinen Vater veranlaßte, den Kronprinzen einer demütigenden Disziplinierungsprozedur zu unterziehen.Festgehalten ist diese Vater-Sohn-Tragödie in einem Romanfragment Heinrich Manns, das Alexander Lang vor 16 Jahren für die Bühne bearbeitethat.

Friedrich der Große erging sich bekanntlich, bevor er selbst den Thron bestieg, mit ebenso leidenschaftlicher wie trotziger Ausschließlichkeit in Schöngeistigem statt in der Würdigung der preußischen Armee - was seinen Vater veranlaßte, den Kronprinzen einer demütigenden Disziplinierungsprozedur zu unterziehen.Festgehalten ist diese Vater-Sohn-Tragödie in einem Romanfragment Heinrich Manns, das Alexander Lang vor 16 Jahren für die Bühne bearbeitethat.Mit jener Spielfassung, die "Die traurige Geschichte von Friedrich dem Großen" bis zu dessen Regierungsantritt erzählt, eröffnete das Potsdamer Hans-Otto-Theater im historisch adäquaten Ambiente des Schloßtheaters im Neuen Palais einen Dramenzyklus, der die deutsche Geschichte hinterfragen will.

Und genau so, nämlich als eigentümlichen Grenzgang zwischen klassischem Historien- und zeitenübergreifendem Familiendrama, hat man sich die Inszenierung des Gastregisseurs Peter Schubert, der bislang vornehmlich als Bühnenbildner etwa bei Castorf- oder Peymann-Produktionen in Erscheinung trat, auch vorzustellen.Das Bühnenbild ist eine Art multifunktionales (Schloß)-Gemäuer, dessen Balkone und Nischen variantenreiche Auftritte, Abgänge und Suchspiele ermöglichen - was der dreistündigen Produktion wiederum Frische und Komödiantik verleihen und zugleich die existentielle Bedrohung durch die omnipräsenten höfischen Spione demonstrieren soll.

Um diese Balance zwischen Komödie und "trauriger Geschichte" sind Schubert und sein Ensemble sichtlich bemüht; und entsprechend zielsicher agiert Torsten Bauers Friedrich Wilhelm I.als Despot, der die Tragödie verursacht und dabei die (tragische) Groteske eines infantilen Liebessüchtigen erzählt.Präzise und eindringlich spielt auch David Emig, der noch an der Hochschule für Schauspielkunst "Ernst Busch" studiert, den Kronprinzen zwischen Verängstigung und siegesgewissem Narzißmus.Claudia Meyer ist seine beschützende und selbst schutzbedürftige Schwester Wilhelmine.Das komödiantische Potential allerdings, das der Regisseur der höfischen Intriganz, der preußischen Militanz und der allgegenwärtigen Paranoia darüber abgewinnt, setzt er wenig bahnbrechend um.Immerhin endet ein Gelage vor der Pause in einem wirklich tiefen Moment: in einem sekundenlangen Blick aufs Stilleben benutzter Teller, dürftiger Essensreste und leerer Wodkaflaschen.Diese nachträgliche Einsicht in den Versuch einer Orgie ist eine gnadenlose, lächerliche, absurde kleine Tragödie. Ch.W.

Wieder am 18., 20.und 26.9., 19 Uhr

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