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Video-Portal ''Youtube'': Mörderhymne

Ein Hasslied auf den ermordeten armenischen Journalisten Hrant Dink erschüttert die Türkei.

Nur die ersten Takte sind harmlos. Das Lied „Plan Yapmayin Plan“ (Schmiede kein Komplott) beginnt wie viele türkische Schwarzmeer-Schlager mit volkstümlichen Klängen. Doch dann kommt die Stimme von Sänger Ismail Türüt dazu, und mit der Idylle ist es vorbei. Türüts Lied, voller Hass auf die Armenier und voller Lob für die Mörder des armenischen Journalisten Hrant Dink schockt die türkische Öffentlichkeit.

„Wenn einer das Vaterland verkauft, dann wird er erledigt. Die Sonne der Türken und des Islam geht am Schwarzen Meer niemals unter“, heißt es in dem Lied in Anspielung auf Dinks Mörder, der aus der Schwarzmeerstadt Trabzon stammt. In einem Video zu Türüts Lied bei Youtube wird zu diesen Liedzeilen die Leiche von Dink gezeigt.

Hrant Dink war im Januar in Istanbul von dem Teenager Ogün Samast aus Trabzon erschossen worden. Samast steht inzwischen in Istanbul vor Gericht, doch in Türüts Lied tritt er als Held auf. „Hört auf, die Glocken zu läuten, hört auf, Armenier-Freunde zu sein“, singt Türüt. „Die Leute vom Schwarzen Meer lassen sich das nicht gefallen.“ In dem Video bei Youtube wird Samast dazu in Heldenpose vor der türkischen Flagge gezeigt; zu der Passage über das Glockenläuten erscheint im Bild der in Trabzon ermordete katholische Priester Andrea Santoro.

Türüt verherrliche Mörder, so lauteten empörte Schlagzeilen der türkischen Zeitungen. Der Sänger verteidigt sein Hasslied. 99 Prozent der Türken seien seiner Meinung, sagte Türüt; er erhalte viel Zuspruch für sein Lied. Auch der rechtsradikale Schriftsteller Ozan Arif, der den Text verfasst hat, weist die Kritik zurück. Mit dem Videoclip bei Youtube wollen Arif und Türüt allerdings nichts zu tun haben.

Unter dem Eindruck der öffentlichen Empörung leitete die Istanbuler Staatsanwaltschaft am Montag Ermittlungen gegen den Sänger und den Texter ein. Beide könnten wegen Verherrlichung einer Straftat bis zu fünf Jahre ins Gefängnis kommen. Auch Dinks Familie und Menschenrechtler bereiten Strafanzeigen gegen Türüt vor. Das Innen-, das Justiz- und das Kulturministerium leiteten ebenfalls Untersuchungen ein.

„Sollen sie doch untersuchen“, kommentierte Türüt gelassen. Bei türkischen Nationalisten steigt seine Popularität mit jeder neuen Strafanzeige. Obwohl ein Istanbuler Gericht am Montag ankündigte, den Zugang zu dem Lied bei Youtube sperren zu lassen, fanden sich bei dem Videoportal noch Stunden später mehrere Clips zu „Plan Yapmayin Plan“, in denen der Mord an Hrant Dink als Heldentat gefeiert wurde. Susanne Güsten

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