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Kultur: Viel Stroh

John Steinbecks Roman "Von Mäusen und Menschen" beginnt an "goldenen Abhängen waldigen Hügellandes" mit einem "tief und grün im Sonnenlicht" dahinplätschernden Fluß.In der dramatisierten Fassung der amerikanischen Landarbeiter-Saga von 1937, die Dirk Steinmann jetzt mit der Berliner Gruppe R.

John Steinbecks Roman "Von Mäusen und Menschen" beginnt an "goldenen Abhängen waldigen Hügellandes" mit einem "tief und grün im Sonnenlicht" dahinplätschernden Fluß.In der dramatisierten Fassung der amerikanischen Landarbeiter-Saga von 1937, die Dirk Steinmann jetzt mit der Berliner Gruppe R.A.T.im Theater Zerbrochene Fenster inszeniert hat, gibt es dafür lediglich stehendes Gewässer in maroden Blechwannen und Regentonnen.Das soll aber nicht - wie zunächst vielleicht zu vermuten wäre - heißen, daß dem Regisseur eines jener zwanghaft postmodernisierten Projekte im Industrie- (und Wort-)Müll vorschwebt.Von den Regentonnen und einigen sprachlichen Aktualisierungen abgesehen, bleibt die Steinmannsche Version eng an der Steinbeckschen Spur.

Das Stück ist ein Versuch über die Zärtlichkeit zwischen dem "nicht ganz hellen" Lennie und seinem Freund George.Lennie, der gern Weiches streichelt und daher Mäuse fängt, die aber immer sofort "tot gehen", arbeitet, und George denkt für beide.Sie verkaufen sich auf kalifornischen Erntefeldern und phantasieren ein eigenes Stück Land herbei.Aha, Botschaft: der Abend darf als Abrechnung mit dem pathetischen US-Traum von der großen Freiheit verstanden werden.Denn obwohl das naturalistische Stall- und Landhaus-Ambiente (viel Stroh!), für die Besucher eines Kreuzberger Off-Etablissements anno 1998 etwas abseitig anmutet, ist dieser Traum an sich ja eine omnipräsente Tatsache und der Verzicht auf platte Aktualisierungen zugunsten dessen, was man Zeitlosigkeit nennt, demnach eine konsequente und nachvollziehbare inszenatorische Strategie.

Diese Strategie funktioniert, weil die Schauspieler ihre Figuren auszuloten imstande sind.George (Olaf Grund) schwankt gemäß der Steinbeckschen Vorlage zwischen Fürsorge und Brutalität in seiner Liebe zu Lennie, wie Oliver Jaksch diesen als schuldlos schuldiges Kind in einem viel zu mächtigen Körper spielt.Mitstreitende Landarbeiter wie der vor Desillusionierung gebückte und unbeirrt jedes zweite Satzende wiederholende Candy (Reimund Groß) transportieren gleichermaßen angemessen die Tristesse ihres Daseins wie Curley, der "Sohn vom Chef" (Chris Urwyler), seinen aus zu kleinem Körperwuchs resultierenden Geltungskomplex.Curleys Frau (Marie-Louise Gutteck) schließlich rutscht trotz eines rosaroten kurzen Kleides und entsprechender Hollywoodphantasien nie hinter die Verletzlichkeitsgrenze, so daß das Fazit dieses Abends also lautet: Das Theater R.A.T.hat Steinbecks Roman angemessen umgesetzt.Kein Mehr, kein Weniger.

Theater Zerbrochene Fenster, heute und morgen sowie vom 12.bis 17.August jeweils um 20.30 Uhr

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