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Spezialist für große Gefühle. Der 29-jährige Sänger Vladimir Korneev.

© Mark Noorman

Vladimir Korneev in der Bar jeder Vernunft: Mehr als bloß ein Sänger

Glühende Gefühle und wallender Bühnennebel: Vladimir Korneev scheut weder Pathos noch die ganz große Geste. In der Bar jeder Vernunft begeistert er mit seinem Prachtbariton.

Dass er unverschämt gut aussieht mit seinen tiefschwarzen Locken und dem markanten Kinn, sei nur am Rande erwähnt. Viel wichtiger für den Erfolg von Vladimir Korneev ist sein Mut zum Pathos, zur großen Geste und – wenn es sein muss – auch zur ganz großen Geste. Emotionaler Überschwang gilt unter jüngeren Leuten ja eher als old school. Der 29-jährige Münchner dagegen scheut sich am Montag in der ausverkauften Bar jeder Vernunft nicht, glühende Gefühle aus den Tiefen seiner Seele herauszulassen. Kraftvoller, beeindruckender bekommt man Jacques Brels „Amsterdam“ derzeit in der deutschen Version wohl von keinem anderen Interpreten zu hören.

Ein E mit accent aigu sowie ein R, das Bauch und Bein nach links statt wie gewohnt nach rechts streckt, hat Vladimir Korneev in das Wort „Lieder“ eingefügt, um im schlichten Titel seines Programms gleich klarzumachen, dass es um französische Chansons und Romanzen aus Russland gehen wird. Die in seinen Interpretationen aber jeweils zu veritablen Dramoletten werden. Obwohl er sich auf der Minibühne der Bar nur wenig bewegt, ist an seiner raffinierten Verführer- Gestik, an seiner ganzen Körperspannung sofort abzulesen, dass dieser Mann mehr ist als bloß ein Sänger.

Er ist drei Mal beim Bundeswettbewerb Gesang angetreten

An der Bayerischen Theaterakademie wurde Korneev, der im Alter von sieben Jahren mit seinen Eltern als Kriegsflüchtling aus Georgien nach Bayern kam, im Fachbereich Musical zu einem jener Bühnenallrounder ausgebildet, die das komplette Performance-Paket anbieten können, vom Szenischen und Vokalen bis zum Tanzen. Ab 2011 ist er drei Mal hintereinander beim Bundeswettbewerb Gesang in Berlin angetreten. Und konnte drei Mal Preise abräumen.

Viele der Stücke, für die er jetzt in der Bar jeder Vernunft entzückten Jubel erntet, hatte er damals schon für sich entdeckt. Ebenso wie „seinen“ Pianisten Liviu Petcu. Der ihm weit mehr ist als nur ein Begleiter. Sondern ein Partner der virtuosen Art, der den Flügel orchestral aufrauschen lassen kann, der Chopins Regentropfen-Prelude als Einleitung zu Michel Legrands „Moulins de mon coeur“ spielt, aber ebenso auch blitzschnell ins Jazzige umschalten kann, vom russischen Klassiker „Schwarze Augen“ zu Dave Brubecks „Take Five“.

Melodramatische Selbstinszenierung mit wallendem Bühnennebel

Zwischendurch macht Liviu Petcu den Klavierhocker aber auch mal frei, damit Korneev selber an die Tasten kann, zum Beispiel für einen großartig grotesken, selbst komponierten Song, in dem er erst ein liebeskrankes Großbürgersöhnchen mimt und dann die fiese Schlampe, die nur auf sein Geld aus ist.

Problemlos könnte Korneev mit seinem Prachtbariton das Zelt auch ohne Mikro füllen. Die technische Verstärkung aber erlaubt es, der Stimme jenen Hallraum zu geben, der zu den emotionsgeladenen Piaf- und Aznavour-Interpretationen passt, zu den russischen Balladen – und zur melodramatischen Selbstinszenierung des Künstlers mit wallendem Bühnennebel und effektvoller Lichtregie, die er natürlich stets im rechten Moment zu ironisieren weiß.

Die nächsten Auftritte von Vladimir Korneev in der Bar jeder Vernunft finden am 24. und 26. April statt.

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