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Völkerverständigung: Schulbücher wirken über das Klassenzimmer hinaus

Das Braunschweiger Georg-Eckert-Institut für internationale Schulbuchforschung arbeitet an vorurteilsfreien Geschichts-, Geographie- und Politikbüchern. Ein Projekt richtet sich an deutsche und polnische Schüler.

Braunschweig/Berlin - Damit sie nach dem Zweiten Weltkrieg das richtige Bild ihrer jeweiligen Länder vermittelt bekommen, setzte sich vor 35 Jahren erstmals die deutsch-polnische Schulbuchkommission zusammen. Eine Ausstellung in der Niedersächsischen Landesvertretung in Berlin dokumentiert noch bis 25. Februar die Arbeit des Gremiums. "Schon bei der ersten Tagung der Kommission stellte sich heraus, dass es viel zu tun gab", berichtet Thomas Strobel, der die Ausstellung konzipiert hat.

So fanden sich in den westdeutschen Schulbüchern noch in den 70er-Jahren teilweise die Grenzen, die vor dem Zweiten Weltkrieg galten. "Polen wurde mit Kommunismus verknüpft und der war nicht sehr angesehen", sagt Strobel. Auch die polnischen Schulbücher wurden der deutschen Geschichte nicht gerecht. "Der deutsche Ritterorden wurde und wird zum Teil heute eher negativ dargestellt." Auch vom deutschen Widerstand gegen die Nationalsozialisten haben polnische Schüler erst später etwas erfahren.

Europa und Globalisierung als Unterrichtsthemen

Vor allem aber kam Polen kaum in den westdeutschen Schulbüchern vor. "Ein neuerer Vergleich zeigt, dass das Nachbarland Polen mittlerweile genauso viele Anteile wie Frankreich einnimmt." Daran habe die Schulbuch-Kommission einen großen Anteil, so Strobel. Die Kriegszeit ist mittlerweile nicht mehr das Hauptthema der Experten; bei den heutigen Treffen geht es häufig um Europa und die Globalisierung, um die aktuelle Darstellung der Länder. So wird zum Beispiel in manchem Schulbuch zwar von der Wirtschaftskraft Polens geschrieben, doch steht neben dem Text ein Foto, auf dem ein Pferd den Acker pflügt.

Für Schulbuch-Autoren und -Verlage sind die Empfehlungen der Kommission zwar freiwillig, finden jedoch große Anerkennung. In der alten Villa, die das Institut beherbergt, sind ständig Wissenschaftler aus der ganzen Welt zu Gast. Auf der Liste der Partner finden sich Länder aus allen Kontinenten: Russland und China sind ebenso zu finden wie Kanada oder Israel. Gerade erst tagten dort jordanische und ägyptische Schulbuchmacher. "Die gegenseitige Wahrnehmung und historische Deutung von Europa und der arabischen Welt ist in den vergangenen Jahren eine unserer großen Aufgaben geworden", sagt Direktorin Simone Lässig.

Freundschaft zwischen den Ländern ausbauen

Herzstück der Villa ist die vermutlich weltweit einzigartige Bibliothek: 140.000 historische und aktuelle Schulbücher der Fächer Geschichte, Politik und Geographie aus 90 Ländern sind dort gesammelt. Hinzu kommen rund 60.000 wissenschaftliche Bände. Im Lesesaal sitzt zum wiederholten Mal Marek Andrzejewski, Historiker der Uni Danzig. Dieses Mal will er einen wissenschaftlichen Aufsatz über das Bild der Ostdeutschen von Polen schreiben.

"In der DDR wurde von der Freundschaft zu den Polen bis in alle Ewigkeit geredet, im Alltag war das anders und in den Schulbüchern konnte man diese Heuchelei gleich bemerken", sagt der 59 Jahre alte Wissenschaftler. Die Schulbücher seiner Heimat nimmt er ebenfalls unter die Lupe. "Nicht in Polen, sondern in Braunschweig finde ich die meisten polnischen Schulbücher an einem Ort."

"Die Vielfalt schätzen lehren"

Auch bei der Unesco genießt die Einrichtung hohes Ansehen. "Uns einen gemeinsame Projekte und Ziele: Den Dialog fördern, die Angst vor unterschiedlichen Meinungen nehmen und Vielfalt schätzen lehren", sagt Walter Hirche, Präsident der Deutschen Unesco-Kommission und Niedersächsischer Wirtschaftsminister (FDP) zur Eröffnung der Ausstellung. Nach Berlin ist sie in verschiedenen Städten Deutschlands und Polens zu sehen. (Von Anita Pöhlig, dpa)

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