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Kultur: Voll die Leere

Science-Fiction aus der Vergangenheit: Kerry Conrans Film „Sky Captain“

Wir haben vor uns: ein Novum. „Sky Captain and the World of Tomorrow“ wird in die Filmgeschichte eingehen als der erste Blockbuster, in dem Schauspieler ausschließlich in einer computergenerierten Kunstwelt agieren. Das Prinzip ist einfach: Zunächst spielen die Akteure buchstäblich im leeren Raum ihre Rollen. Danach werden die Computer angeworfen. Requisiten und Handlungsorte entstehen durch Millionen von Mausklicks. Bis die Rechner rauchen und die Monitore glühen – der umgedrehte „Roger Rabbit“ gewissermassen.

Das Resultat ist ebenso verspielt wie verblüffend. „Sky Captain“ ist ein Quodlibet-Spektakel, in dem nicht nur Mensch und Computerwelt verschmelzen, sondern auch Verweise, Anspielungen und Zitate geschickt ineinanderfließen. Eigentlich besteht der Film aus nichts anderem. Der 37-jährige Regiedebütant Kerry Conran erweist sich als Popkulturnarr und Filmfreak von tarantinesken Ausmassen. Gleichzeitig ist er aber auch ein baseballkappentragender Computernerd, der ganz ausgezeichnet in ein Start-Up-Unternehmen passen würde (der Legende zufolge hat der Film seinen Ursprung auf einem Apple-Laptop in Conrans Garage).

Vermutlich erklärt sich ein Film wie „Sky Captain“ am besten aus diesen Interessen seines Regisseurs. Stilistisch wirft Conran „Metropolis“, Film Noir, Andreas-Feininger-Fotografien und die Coverzeichnungen von Pulp-Magazinen durcheinander. Man trifft auf Spuren von „Indiana Jones“, „Star Wars“, dem „Zauberer von Oz“ – und was nicht alles sonst noch. Die Handlung dagegen dürfte sich Conran, der auch das Drehbuch schrieb, aus unzähligen dime novels, Comicstrips und Bahnhofsmagazinen zusammengelesen haben.

Mit dem unerschrockenen Fliegerhelden Sky Captain (Jude Law), der rasenden Reporterin Polly Perkins (Gwyneth Paltrow) und der auch mit Augenklappe feschen Piloten-Amazone Franky (Angelina Jolie) als Nebenfigur stürzen sich gleich drei supergut aussehende Supermenschen in den Kampf gegen das Unmenschentum. Nichts weniger als die Welt von heute (im Film ist es die von 1939!) gilt es zu verteidigen gegen die „world of tomorrow“, die neu geschaffen werden soll nach Plänen eines deutschen Wissenschaftlers. Der garstigstmögliche Bösewicht dieses Science-Fiction-Films aus der Vergangenheit ist eine Melange aus Dr. Moriarty, Dr. Mabuse und Dr. Mengele und trägt – auch im Original – den Namen Totenkopf.

Interessanterweise wird Totenkopf von einem toten Kopf gespielt. In gewisser Weise. Denn der 1989 gestorbene Laurence Olivier kommt dank wiederverwertetem Filmmaterial und Stimmenimitation zu einer vermutlich eher unerwarteten letzten Rolle. In einem Film, in dem beinahe alles animiert ist, wird einer der Akteure re-animiert: Willkommen unter den lebenden Toten, Sir Lazarus!

Letztlich versinnbildlicht dieser ungewöhnliche Wiederbelebungsversuch aber auch ein Dilemma dieses durch und durch ungewöhnlichen Films: Seine Charaktere wirken leblos. „Sky Captain“ war in den USA kein Erfolg. So groß der visuelle Effekt, so bescheiden die emotionale Ergriffenheit. Man sieht den Film mit kalter Bewunderung. Und deshalb kann es einem durchaus passieren, dass sich der vor Staunen offene Mund am Ende zu einem leichten Gähnen verzieht.

In Berlin ab Donnerstag in den Kinos Cinemaxx Potsdamer Platz und Colosseum, Cinestar SonyCenter (OV), Cinestar Hellersdorf und Tegel, Cubix am Alex, Gropius Passagen, Kulturbrauerei, Rollberg und Zoo Palast

Julian Hanich

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