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Falsche Pferde. Das angebliche Gemälde von Heinrich Campendonk. Foto: dpa

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Kultur: Vollzug

Der Beltracchi-Vergleich wirft neue Fragen auf.

Der Prozess war ein Schauspiel der Sonderklasse. Wohl selten machte ein Angeklagter so lässig schäkernd sein Geständnis wie der Kunstfälscher Wolfgang Beltracchi – freilich nachdem sein Anwalt Strafmilderung ausgehandelt hatte. Das Urteil des Kölner Landgerichts vom Oktober 2011 fiel denn auch glimpflich aus. Der Hauptangeklagte, der über 35 Jahre seine eigenen Varianten der Klassischen Moderne trickreich in den weltweiten Kunsthandel eingeschleust hatte, erhielt sechs Jahre im offenen Vollzug. Mit neun Verhandlungstagen ein in jeder Hinsicht kurzer Prozess.

Nun wurde zum ersten Mal ein Käufer entschädigt. Vier Jahre lang hatte die Trasteco Ltd. mit Sitz auf Malta, die 2006 den angeblichen Heinrich Campendonk „Rotes Bild mit Pferden“ für insgesamt fast 2,9 Millionen Euro ersteigert hatte, gegen das Kunsthaus Lempertz geklagt und in einem weiteren Prozess gegen das Ehepaar Beltracchi. Am vergangenen Montag wurde bekannt, dass man sich auf ein Vergleich geeinigt hat. Die zwei Millionen Euro des Hammerpreises werden nun aus dem Immobilienvermögen der Beltracchis beglichen. Nachdem Lempertz die Kommission in Höhe von 800 000 Euro bereits im Vorfeld zurückerstattet hatte, kommen nun noch – angesichts des Streitwertes nicht unerhebliche – Zinszahlungen sowie die Prozesskosten auf das Kölner Auktionshaus zu.

Trotzdem sprach Anwalt Heribert Reiners von einem „wirtschaftlich vernünftigen Ergebnis, da die geschädigten Käufer befriedigt sind, und dies durch die Verwertung des Vermögens der Fälscher.“ Die Genfer Galerie Artvera’s, die den Kauf für Trasteco dereinst abwickelte, spricht gar blumig vom „Epilog des Kunstmarkt-Jahrhundertprozesses“.

Doch kann der Auktionshandel damit ein unrühmliches Kapitel wirklich abschließen? Können die Galerien und die arg in Verruf geratenen Kunstexperten wieder zur Tagesordnung übergehen? Rund ein Dutzend Verfahren dürften noch anhängig sein, und nicht nur dabei spielt das Urteil, das Ende September in erster Instanz beim Landgericht Köln erging, auch nach dem Vergleich weiterhin eine wichtige Rolle. Denn in puncto Sorgfaltspflicht wurden neue Maßstäbe gesetzt, und die sind juristisch nicht nur für die Causa Beltracchi, sondern generell für den Kunsthandel relevant. Die Anforderungen an die „erforderliche“ Sorgfalt, so das Gericht, „werden durch übliches oder einem verbreiteten Brauch entsprechendes, weniger sorgfältiges Verhalten der betreffenden Verkehrskreise nicht reduziert“. Übliche Handelsgepflogenheiten ließ man nicht gelten, außerdem bestimme sich der Umfang der Prüfungspflicht des Kunsthändlers durchaus „nach der Bedeutung des Werkes“. Bei einer Mindestschätzung von 800 000 Euro wäre eine naturwissenschaftliche Untersuchung also zumutbar gewesen.

Dass ein wirkliches Ende aber nicht abzusehen ist, zeigt der absurde Fall von Vergesslichkeit im Pariser Auktionshaus Millon & Associés. Im Oktober sollte ein Blumenstillleben des polnischen Malers Moise Kisling in Dubai versteigert werden. Geschätzt war das angeblich 1937 entstandene Bild auf mindestens 150 000 US-Dollar. Provenienz: Sammlung Jägers, Köln, sowie Wolfgang Beltracchi, Palma. Michaela Nolte

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