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Kultur: Vom Donner gerührt

Laut, aber herzlich: Die amerikanische Indieband Clap Your Hands Say Yeah im Postbahnhof

Kaum ein Jahr ist es her, als die Suchscheinwerfer des internationalen Hipstertums die Band Clap Your Hands Say Yeah erfassen. In vielen Blogs hieß es, sie seien das nächste heiße Ding, die großen Musikmagazine schlossen sich an, und schnell wurde ihre Musik Allgemeingut von Williamsburg bis Prenzlauer Berg. Auf ihrer ersten Tour im vergangenen Winter bekam man den Eindruck, als halte der egomane Sänger Alec Ounsworth, der nicht nur stimmlich an David Byrne erinnert, den Trubel auch für angemessen. Zumal die hymnischen, euphorischen Melodien des titellosen Debüt-Albums die Hysterieblase um die Band gut ausfüllten.

Eine Atempause aber wollte sich die Band aus Brooklyn nicht gönnen: Am Freitagabend stellte sie im Postbahnhof ihr zweites Album „Some Loud Thunder“ vor. Noch immer haben Clap Your Hands Say Yeah in ihrer Heimat kein Label, das sich um den Vertrieb des Albums kümmert (in Europa erscheint es bei Wichita/Coop). So hat sie sich auch von standardisierten, in der Regel zwei Jahre umfassenden Veröffentlichungszyklen emanzipiert. Der Hype ist trotzdem vorbei.

Gut so: Endlich lässt sich entspannt auf das Phänomen Clap Your Hands Say Yeah blicken. Ounsworth, der manchmal hyperhip, manchmal nur schrullig wirkt, ist netter geworden. Grüßt zwar nicht, bedankt sich aber für Applaus. Soli spielt er weiterhin mit dem Rücken zum Publikum. Auch zwischen den Bandmitgliedern funkt es wieder nicht so richtig. Wenn der Chef die nächste Nummer ansagt, redet er von seinem ersten oder seinem zweiten Album. „This is a song from my first album“ – und seine Kollegen schauen gelangweilt auf den Bühnenboden.

Dieses Unausgewogenheit zwischen den Musikern ist ein Problem, besonders bei den neuen Stücken. Auf „Some Loud Thunder“ experimentiert Ounsworth mit dem Produzenten Dave Fridmann, der schon Mercury Rev und The Flaming Lips aufdonnerte, mit überladenen, komplexen Songs. Die bassgetriebene New-Wave-Gradlinigkeit des ersten Albums ist folkigen Wall-of-Sound-Arrangements gewichen. Doch nur selten fügen sich die wabernden Gitarren, Shaker, Mundharmonikas und Männerchöre zu einem organischen Ganzen. Vielleicht, weil die Band keine Band ist. Zu allem Überfluss schafft Fridmann eine Garagenatmosphäre, indem er die Aufnahmen übersteuert und verrauscht. So laufen einige der Songs dröhnend und scheppernd aus dem Ruder. Enttäuschend.

Auf der Bühne aber sind die neuen Spinnereien neben den schmissigen Hits des ersten Albums eine willkommene Abwechslung. Kurioserweise haben Clap Your Hands Say Yeah den Sound live besser im Griff – auch wenn Ounsworths Stimme hin und wieder ins Verheulte abgleitet. Das Stück „Satan Said Dance“ etwa brezeln sie zu einer Dance-Wummernummer mit psychedelische Störgeräuschen auf. Oder das elegische „Goodbye To The Mother and the Cove“ – im Postbahnhof gerät das Stück zu einer intensiven Gefühlsüberrumpelung: zuerst pickende Electrodrums, dann eine filigran gezupfte Gitarre. Plötzlich tritt eine obskure Bläserkapelle auf, Oboe, Saxophon, Posaune, und zeichnet eine melancholische Figur. Das Schlagzeug marschiert jetzt zackig voran, Ounsworth skandiert etwas durch ein Megaphon. Alles passt zusammen. Ein Blick ins Booklet von „Some Loud Thunder“ bestätigt den Verdacht: „Goodbye...“ ist der einzige Song, den auch die Band mitgeschrieben hat.

Dieser Auftritt hilft, den lauten Donner des schwierigen zweiten Albums besser zu verstehen Trotzdem: Wir hätten auf das Album gern noch eine Saison gewartet. Der Musik hätte das sicher gut getan.

Daniel Völzke

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