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Kultur: Vom Ich zum Wir zum Ich

Die Generation Golf, die hat es gut. Es gibt sie.

Die Generation Golf, die hat es gut. Es gibt sie. Angehörige dieser Generation können Wir sagen: Wir sind die umdie-30-jährigen Schnösel aus dem Westen. Vor ein paar Jahren, als Florian Illies seiner Generation gerade das Wir angeboten hatte, las er aus seinem Buch in der Berliner Volksbühne. Ich stand mitten im Publikum und war sehr allein. Vom Alter her passte ich da ganz gut rein, von der Herkunft aber nicht. Westler bin ich nicht, und so verschluckte ich mich nicht andauernd am Beck’s-Bier wie alle anderen. Die mussten immerzu prusten: Ja! So war’s! Playmobil! Nutella! Ja – hicks – ja! Das Bier hat die gar nicht so besoffen gemacht, das Wir-Gefühl war’s.

Am Dienstagabend war ich im Stadtbad Oderberger Straße – ähnlich wie die Volksbühne eine hippe location, in der es Beck’s- Bier gab, nur ein klein wenig weiter im Osten. Die Veranstaltung hieß: „Generation 89! Der selbstbewusste Osten“. Toll, dachte ich, da gehst du hin, da findest du vielleicht vom Ich zum Wir. Da kannst du dich mal mitfreuen.

Es war dies nicht die Lesung eines Vordenkers seiner Generation, es war ein Podiumsgespräch mit acht einigermaßen jungen, erfolgreichen, selbstbewussten Ostlern mit vorangestellten Redebeiträgen dreier etwas älterer, ebenfalls erfolgreicher und selbstbewusster Ostler. Für die Generation Golf reichte ein Vordenker, wir brauchen elf.

Zunächst war da der unvermeidliche Wolfgang Thierse, der gute Vater, der die Selbstbewussten lobte, aber auch den Zeigefinger hob und fragte: Machen wir uns vielleicht was vor? Klingt der Titel der Veranstaltung nicht irgendwie nach Selbsthilfeprojekt? Steffen Mensching, Buchautor und Satiriker, ging die Sache statistisch an: Er hatte die Begriffe „selbstbewusst“ plus „Osten“ bei google eingegeben und „selbstbewusst“ plus „Westen“ – siehe da: 25 Prozent mehr Treffer für die Ostkombination. Klingt erst mal toll, aber, so Mensching, wer spricht schon vom selbstbewussten Westen? Da könne man auch von weiblicher Schwangerschaft reden. Überhaupt: Wer von seinem Selbstbewusstsein sprechen muss, der kann ja gar keins haben. Immerhin, bei der Wir-Angelegenheit konnte Mensching Mut machen: Es sei schon was Gemeinschaft Stiftendes, dass wir alle den Zusammenbruch der DDR erlebt hätten, daher rühre die Skepsis gegenüber allem, das wir teilten. Und dann sei da noch ein Privileg gegenüber den Golfern aus dem Westen: Unsere Eltern können uns nicht in einlullende materielle Sicherheit betten.

Der große Spielverderber des Abends hieß Wolfgang Engler, ist Soziologe und – typisch ’89er eigentlich – sehr, sehr skeptisch. Vor allem gegenüber dem Generationsbegriff. So ein gemeinsames Wendeerlebnis erlaube uns noch lange kein Generations-Wir. Dazu hätten wir auch gemeinsame Schlussfolgerungen daraus ziehen müssen, die wir in einer irgendwie passenden historischen Situation hätten einbringen können. Haben wir aber nicht, die Situation ist nicht danach.

Die Situation im wasserlosen Oderberger-Bad war trotz oben schwebender Disco-Spiegelkugel wirklich nicht so. Die nun diskutierenden acht selbstbewussten Ostler, zwei viel sagende SPD-Politiker, eine sehr rothaarige TV-Moderatorin und zwei Tagesspiegel-Autorinnen darunter, sagten zwar allesamt kluge Dinge, aber die passten allesamt nicht so recht zueinander. Und wenn mal einer ein vorsichtiges Wir einstreute, dann wies ein anderer gleich auf den Gegensatz von uns flexiblen Großstadtdurchstartern gegenüber den glatzköpfigen Landdableibern hin – alles eine Generation, ein Wir?

Die auf dem Podium hatten ja schon bei den Spielzeugen ein Gemeinschaftsproblem. Der eine hatte aus dem Westen Lego bekommen, die andere erinnerte sich an die „auch nicht so schlechten“ Pe-Be-Bausteine (ich hatte beides und weiß noch, wie schlecht beides zusammenpasste).

Und dann gab es noch den fürchterlichen Einwurf, dass wir zwar den Umbruch ’89 gemeinsam hätten, dass der uns aber in so unterschiedliche Richtungen katapultiert habe, dass da eigentlich nur lauter Ichs herauskommen konnten. Darauf hieß es, dass wir vielleicht eine Generation seien, wie es noch nie eine gab, nämlich eine mit so irre vielen unterschiedlichen Erfahrungen.

Ja, Mensch, irgendwie auch wieder wahr, dachte ich, nahm einen Schluck aus der Beck’s-Bier-Flasche und dachte sehr nüchtern: Nicht mal ein eigenes Bier hat meine Generation. Es gibt sie wohl wirklich nicht. Uns gibt es nicht.

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