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Kultur: Von Bonn nach Berlin - Max Welch Guerra beschreibt den politischen Prozess

Die Hauptstadt ist in Berlin angekommen. Es wird Zeit für einen ersten Rückblick auf den planerischen Prozess der Hauptstadtwerdung.

Die Hauptstadt ist in Berlin angekommen. Es wird Zeit für einen ersten Rückblick auf den planerischen Prozess der Hauptstadtwerdung. Was sich im nachhinein als logische Abfolge von Entscheidungen darstellt, vom historischen Bundestagsbeschluss des 20. Juni 1991 bis zum Einzug der Volksvertreter in ihr Domizil im runderneuerten Reichstag am 19. April dieses Jahres, war in Wirklichkeit ein Gemenge aus Augenblickshandlungen, denen besagter Bundestagsbeschluss lediglich als Leitfaden diente.

Max Welch Guerra, seit 1987 am Institut für Stadt- und Regionalplanung der TU Berlin tätig, wagt als erster eine zusammenfassende Darstellung dieses knapp zehnjährigen Prozesses unter dem ambitionierten Titel "Hauptstadt Einig Vaterland". Als Politologen interessieren ihn in seinem Buch vor allem die Institutionen der bundesdeutschen Demokratie, die in vielfältig verschränkter Weise die Hauptstadtwerdung Berlins betrieben haben, und es geht ihm über die Einzelentscheidungen hinaus - mit der Überschrift des Schlusskapitels - um die "Hauptstadtplanung als Vereinigungspolitik". Die Bilanz ist ernüchternd: Die Hauptstadtplanung habe "keinen nennenswerten Beitrag zum vielbeschworenen Zusammenwachsen beider Landesteile geleistet."

Doch plastisch wird das Urteil des Autors nicht. Er bleibt allzu sehr einer institutions- und systemtheoretischen Sichtweise verhaftet. Wo der Leser Beobachtungen aus dem Alltag der Politik erfahren, zumal die handelnden Personen kennen lernen möchte, setzt ihm Welch Guerra das trockene Brot theoretischer Einordnungen vor. Schade; denn was der Autor ansonsten zusammengetragen und übersichtlich aufbereitet hat, ist die ganze, schon heute kaum noch zu überblickende Fülle der Planungen in ihren Einzelschritten der Standortsuche, der Wettbewerbe und der schließlich im Einzelnen getroffenen Auswahlen. Die folgenreichste Entscheidung allerdings bleibt in der Darstellung des Autors blass: diejenige nämlich, auf Neubauten für die Bundesministerien weitestgehend zu verzichten und stattdessen den historischen Bestand unbeschadet seiner "Belastung" zu akzeptieren.

So markiert das Buch einen wichtigen ersten Schritt zur Analyse der Hauptstadtwerdung Berlins. Ein zweiter muss folgen: die bildkräftige Darstellung des Geschehens und seiner Akteure.Max Welch Guerra: Hauptstadt Einig Vaterland. Planung und Politik zwischen Bonn und Berlin. Vlg. Bauwesen, Berlin 1999, kt., 58 DM.

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