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Kultur: Von der Nadel zur Feder

Poet und Lumpensammler: Der zornige Schriftsteller Jörg Fauser wäre heute 60 Jahre alt geworden

Typen vom Schlage eines Charles Bukowski, Wolf Wondratschek oder Jörg Fauser waren in den Neunzigerjahren nicht mehr sehr gefragt. Statt Authentizität herrschten nun Spaß und Ironie. Nur die Social-Beat-Szene goutierte noch den Appeal des zornigen Einzelkämpfers und wollte aus den Ruinen der Beat-Literatur ihre eigene kleine, kaputte Welt zusammenbasteln, in der völlig ironielos gesoffen, gefickt und geflucht werden konnte. In dieser literarischen Welt stellte man auch Denkmäler auf: Bukowski wurde auf den Sockel gehoben, Burroughs ebenfalls, und natürlich Fauser, der vergessene Dichter, Übersetzer und Journalist.

Jörg Fauser genoss schon durch seinen szenekompatiblen Lebenswandel (viel Alkohol, viel Heroin) und seinen frühen Tod (1987 wurde er im Rausch auf einer Autobahn bei München von einem Lkw überfahren) einen gewissen Ruf unter den Slam-Poeten.

Heute könnte er seinen 60. Geburtstag feiern. Das wäre ein biblisches Alter für jemanden, der exzessives Leben und Kunst so unverbrüchlich miteinander koppelte, für den literarischer Stil und Lebenshaltung eins werden sollten. Er wollte sich „eine Sprache erobern, um was ich erlebte mir was wert zu machen“, schrieb er an seine Eltern. Rückblickend erscheint der in Frankfurt aufgewachsene Fauser wie die Klischeefigur eines verlebten Underground-Autors: In einem Gedicht imaginiert er sich Bier trinkend mit Bukowski in einer Kneipe, betrachtet dabei den „Arsch der Frau an der Theke“ und kann im gleichen Moment noch Verachtung fürs Feuilleton aufbringen. Als er Ende der Siebziger in einem alternativen Kulturclub im Süddeutschen zu Gast war, soll er die damals von der Ökowelle mitgerissenen Linken ziemlich irritiert haben. Man kannte zwar seine Texte, war aber doch überrascht, als er mit einer „aufgetakelten“ Dame – halb Rotlichtmilieu, halb Sekretärin – auftauchte und inmitten von Wollpulli-Zuhörern den saufenden Dichter gab.

Überhaupt die Drogen: In dem Buch „Rohstoff“ (1984) macht sich Fauser auf die Spur seines Absturzlebens, um die eigene Künstlerwerdung als klassischen Entwicklungs- und Kriminalroman zu inszenieren. „Von der Nadel zur Feder“, vom Cut-up zum harten Realismus (und gegen die 70er-Jahre-Innerlichkeit), von Burroughs zu Bukowski, vom Junkie zum Trinker, vom Nachtwächter zum Chefredakteur der Kulturzeitschrift „Transatlantik“: Fauser hatte eine Biografie, die sich mancher Szene-Schreiber mühselig erfinden musste.

In der Literatur hielt er es mit Leslie A. Fiedler: „Cross the border, close the gap.“ Damit wollte er Ernst machen, die Grenze zu den trivialen Genres überschreiten, Thriller à la Hammett schreiben. Die Leser sollten unterhalten werden, und das im Fauser-Schnodderton. „Einen Schriftsteller, der nicht gelesen wird, halte ich für eine pathetische und sinnlose Figur.“ Jetzt erscheinen seine Werke neu im Berliner Alexander Verlag. Fausers antiintellektueller Gestus, der sich gegen den Kulturbetrieb richtete, gehörte ebenso dazu wie ein Faible für das alltägliche Material. In seinen für den Berliner „Tip“ geschriebenen Porträts und Reportagen beschäftigte er sich mit Eric Ambler genauso wie mit Pferderennen. Er war Chronist eines schmuddeligen Frankfurt, schaute in den „trüben Bauch der Städte“, beobachtete skeptisch das radikale Milieu der 60er.

„Der Poet ein Lumpensammler / er kommt mit den Abfällen aus / wie die Ratte und der Schakal“, heißt es programmatisch im 1979 erschienenen Gedichtband „Trotzki, Goethe und das Glück“. Kunst war für diesen vielleicht nicht großen, aber durchaus tragischen Dichter eine „elementare Rebellion“, die Schreibmaschine eine „Waffe“. „Worum es sich dreht“, schrieb er 1977 in dem Alternativpresse-Reader „Ulcus Molle Info“, „ist ja einfach dies: brauchbare Literatur zu schreiben und zu verlegen, brauchbar zum Überleben in einer Welt, in der einen kaum noch was zum Überleben animieren kann; und ob diese Literatur, die ästhetisch und menschlich engagiert ist und der Seiche der Zeit einen ramponierten, aber immer noch intakten Spiegel vorhält, nun in einem Groß- oder Mittel- oder Klein-Verlag, in Mizzis-Mösen-Magazin oder in der Kreuzberger-Kneipen-Zeitung erscheint, ist denen, die sie brauchen, Jacke wie Hose.“ Cross the border, close the gap – frei von Pathos ist auch dieser Schriftsteller nicht gewesen.

Dass nun ein Kind der bunten Medienwelt wie Benjamin von Stuckrad-Barre im Herbst mit den aus der Hüfte geschossenen Texten Fausers auf Lesereise geht, hat vermutlich mit einer Sehnsucht nach Echtheit zu tun, die Fauser verkörperte. Ein Update von „Rohstoff“ für die Nullerjahre steht ja noch aus, und StuckradBarre hat seinen Drogenausstiegsroman bereits angekündigt. Man darf gespannt sein, ob sich da zwei Schriftsteller, die beide auf je eigene Weise gegen „die Seiche der Zeit“ anschreiben, gefunden haben. Und Fauser vielleicht ein kleines Revival erleben darf.

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