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Kultur: Von Texten und Textilien

Er war nicht schön, bloß provokant, und machte dennoch Karriere. 2004 erfand ein Jung-von-Matt- Werber für einen Elektronikmarkt den Slogan „Geiz ist geil“, der prompt zum Ausdruck des Zeitgeists erklärt wurde.

Er war nicht schön, bloß provokant, und machte dennoch Karriere. 2004 erfand ein Jung-von-Matt- Werber für einen Elektronikmarkt den Slogan „Geiz ist geil“, der prompt zum Ausdruck des Zeitgeists erklärt wurde. Niemand wolle mehr für irgendetwas zahlen, billig, billig, billig – und davon viel. Wie das so ist mit Trends (ihr Leben ist kurz), entdeckten Beobachter bald die Gegenbewegung. Mit Verweis auf den Bio- und Fairtradeboom wurde Bewusstsein für verantwortungsvollen Konsum gepriesen. Der Brand in einer Textilfabrik in Bangladesch mit über 100 Toten hat nun in Erinnerung gerufen, dass es sich bislang nur um einen Erfolg in der Nische handelt.

Heute wird nun das „Leistungsschutzrecht“ im Bundestag beraten. Diese Änderung des Urheberrechts sieht vor, dass Presseverleger ein ausschließliches Recht genießen sollen, ihre Erzeugnisse im Internet zugänglich zu machen. Alle anderen – Suchmaschinen zum Beispiel – sollen dafür Lizenzen erwerben müssen. Viele finden das Gesetz schlecht, nicht nur Google, das sich mit einer peinlichen Kampagne zum Verlegerdrachentöter und Retter von Prinzessin Netzfreiheit zu stilisieren versucht. Zuletzt sprachen Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts ihr Urteil: Bedarf nicht nachgewiesen, Folgen nicht absehbar.

Der Reflex der Verleger, auf deren Druck die Bundesregierung mit dem Entwurf reagiert, ist verständlich. Sie haben es im Internet mit einer extremen Version von „Geiz ist geil“ zu tun, nämlich mit „Gar nicht zahlen ist normal“. Nur: Diese Einstellung ist dem Homo consumens nicht von der Natur eingegeben. Sie wurden ihm anerzogen, auf dem Weltmarkt für Bekleidung ebenso wie auf dem Markt der Inhalte. Während sich die C&A&H&Ms dieser Welt im Preiskampf unterboten, brachten Google, Facebook und Co. den Leuten im Internet bei, dass man dort überall mit Daten statt Moneten bezahlen kann. Und die Verleger zogen mit, indem sie in ihrer Technologie-Euphorie ihre Inhalte verschenkten.

Wie aber es besser machen?

Es gilt, dem Produkt seine Wertigkeit und seinen fairen Preis zurückzugeben. Dabei können die Verlage vom Weltmarkt lernen. Das Ringen um den Preis ist schließlich nicht aussichtslos. Sicher, Bio- und Fairtrade-Produkte sind eine Nische. Aber ihre Wachstumsraten sind stabil und beachtlich. Auf dem Markt der analogen Produkte, der Kaffees und der T-Shirts, hieß die Lösung: Eine Alternative anbieten, schön verpackt, etwas, das nicht nach Sparen aussieht, sondern nach Spa, eine Art Wohlfühlkur für das gehobene bürgerliche Gewissen. Für einen angemessenen Preis. Für die Verleger kann das heißen: Hoch die Paywall! Bevor kein Geld mehr da ist, ein schönes Produkt zu machen.

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