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Kultur: VOR - All that Jazz

Musikologen meinen, der Jazz sei das "Rückgrat der populären Musik unseres Jahrhunderts".Nun ist das mit dem Rückgrat so eine Sache.

Musikologen meinen, der Jazz sei das "Rückgrat der populären Musik unseres Jahrhunderts".Nun ist das mit dem Rückgrat so eine Sache.Es scheint, als käme die Sprache unseres Jahrhunderts ganz ohne musikalisches Rückgrat aus.Eine Jury wählte die "100 Wörter des Jahrhunderts".Der Begriff "Jazz" ist nicht dabei.Doch bevor Berlins Jazzmusiker darüber aufheulen, daß sich Worte wie "Swing", "Jazz" und "Saxophon" gegenüber Begriffen wie "Blockwart", "Führer" und "Atombombe" nicht durchsetzen konnten, feiern sie lieber Weihnachten.Sie sind in prominenter Gesellschaft.Duke Ellington war fast jeden Tag im Plattenstudio.Nur Weihnachten nicht.Bei Truthahn und Punsch kroch das Jazz-Genie auf dem Teppich herum, einen Knochen im Mund, den er freudig seinem Pudel offerierte.So weit zum Zusammenhang der Worte "Jazz" und "Rückgrat".

Aber auch Jazzmusiker, die weltweit als tapfer unsentimentale Menschen gelten, erfaßt zum Ende des Jahres der Strudel seltsam huldvoller Gefühle.Der Saxophonist Jörg Miegel hängt sich im b-flat musikalisches Lametta und Christbaumkugeln ans Saxophon und intoniert in seinem zwischen Bläser-Chorälen und Bebop balancierenden Jazz schwungvoll synkopiertes christliches Liedgut (Fr.und Sa.25./26.12., Beginn jeweils 22 Uhr).Der Pianist Andreas Schmidt ist mit dem Eis-Heiligen der Altsaxophonisten, dem Cool-Jazz-Helden Lee Konitz, ebenso auf Du wie mit dem spröden Kristall-Melodiker und Piano-Kollegen Paul Bley.Gemeinsam mit der Sängerin Anka Suckow nimmt Schmidt im A-Trane bekannte Pop-Songs der sechziger und siebziger Jahre unter die Improvisations-Lupe (Mi, 23.12., Beginn 22 Uhr).Der größte Trumpf, den Berlin an Perkussionskunst und Perkussionskultur zu vergeben hat, heißt Abdourahmane Diop.Würde dieser Perkussionist in New York leben, er würde von den Großen des Jazz wie auf dem Silber-Tablett herumgereicht.Aber nicht deshalb schlage ich den seit 17 Jahren in unserer Stadt lebenden Senegalesen für das Bundesverdienstkreuz vor: Sondern weil der Sabar-Spieler die zwischen Jazz und Weltmusik pendelnde Berliner Szene mit seinen vor Spannung knisternden und funkelnden Perkussions-Beiträgen wie kein anderer vitalisiert und energetisiert.Jetzt lädt Diop im Parkhaus zu einer X-mas-Party.Gemeinsam mit afrikanischen Perkussionskollegen und unterstützt von einigen Bläsern trägt Diop senegalesisches Weihnachts-Flair in die Berliner Jazz-Diaspora (Do.bis Sa., 24.- 26.12., Beginn jeweils 22 Uhr).Staunen kann man auch über den akustischen Gitarristen Ferenc Snétberger.Der aus einer ungarischen Sinti-Familie stammende Virtuose lebt seit zehn Jahren in Berlin und verbindet auf instrumentaltechnisch hohem Niveau kammermusikalische Finesse mit rhythmischer Brillanz.Am Samstag tanzen seine Finger in der Passionskirche solo über die Nylonsaiten seiner Gitarre (26.12., Beginn 20 Uhr).Einen Tag später beweist Snétberger am selben Ort, daß er auch dann ein Magier der filigranen Saiten-Kunst bleibt, wenn er im Trio sein Instrument nach Gruppendienlichkeit abtastet.Snétbergers leidenschaftlich glühendes Spiel schlägt virtuose Brücken zwischen Heitor Villa-Lobos, Django Reinhardt, Egberto Gismonti und Johann Sebastian Bach.

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