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Kultur: Vor - Babel & Co

Der heutige 27.Januar ist der "Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus".

Der heutige 27.Januar ist der "Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus".Eine Fülle von Veranstaltungen wird dafür sorgen, daß über dem Ritual des Gedenkens Gedanken nicht vergessen werden.Wissen und Kenntnis sind Maßstäbe des historischen Bewußtseins.So hält Herbert A.Strauss im Centrum Judaicum in der Oranienburger Straße heute um 18 Uhr den Vortrag: "Gemeinschaft in extremis: Individuelles und kollektives Verhalten von Juden in der Shoah." Ebenfalls heute (20 Uhr) lesen in der Buchhandlung Kiepert (Hardenbergstr.4-5) Liselotte von Marshall und Alexandra von Grote aus ihren Romanen.Morgen abend gibt es ab 20 Uhr im Clubraum der Akademie der Künste eine öffentliche Diskussion zum Thema "Biologismus und Rassenwahn - zwei Seiten derselben Ideologie?" Teilnehmer sind neben anderen Werner Bergmann, Christine Teller und Wolfgang Wippermann.

Was ist das: Es hängt an der Wand, macht Tick-Tack, und wenn es runterfällt, ist die Uhr kaputt? Und was ist das: Es steht im Regal und macht überhaupt nichts, wenn es uns in die Hände fällt, entsteht eine Welt im Kopf? Bücher können aber auch Skulpturen sein, Kunstobjekte, die beschaut und betastet, aber eigentlich nicht gelesen sein wollen.Ihre Gestalt trägt den Sieg über den Inhalt davon.Man muß so etwas mögen; genauso, wie man für bibliophile Leidenschaften, die sich mehr für ein seltenes Impressum interessieren, als für das, was ein Buch sagen kann, eine Sammlerdisposition braucht, die mit dem Lesen selbst eigentlich nichts zu tun hat.Das Bewundern des edelsteinbesetzten Deckels einer jahrhundertealten Bibelhandschrift ist eine Sache, das Bewundern dieser mitunter monströsen Ur-Erzählung des Abendlandes eine andere.Die Bibel hat natürlich immer wieder den Schmuck- und Prachtsinn der Künstler herausgefordert.Aber wie kunst- und kostbarkeitsbeladen auch immer, sie blieb doch ein Text mit sakralem Status.Im Unterschied dazu gibt es Kunstbücher und Buchkunst, deren Ästhetik ganz anders, eben nicht in Buchstaben, gesetzt ist.So kann man zur Zeit in einer Ausstellung Polnische Buchkunst der Gegenwart besichtigen, und zwar im Polnischen Kulturinstitut (Karl-Liebknecht-Str.7, Di-Fr 10.00-18.00)

Manche, oder vermutlich die meisten, werden folgende Behauptung mit einem Kopfschütteln quittieren; ich nehme sie trotzdem auf mich: Zu den ganz, ganz wenigen, wirklich großen deutschen Büchern der letzten zwanzig Jahre gehört das 1979 erschienene "Rom, Blicke" von Rolf Dieter Brinkmann.Mit "großen Büchern" meine ich nicht gut geschriebene oder ästhetisch vollendete oder kaufmännisch erfolgreiche.Sie müssen vielmehr radikal in der Sache und im Ton sein (was dem tantenhaft harmlosen Tabuverletzungsgerede der zeitgenössischen Klapptentexte zum Trotz extrem selten ist); sie müssen Wucht haben; und sie müssen absolut rücksichtslos mit dem Leser umgehen.Wer dieses furchterregende "Rom, Blicke" gelesen hat, ich brauchte seinerzeit ein volles Jahr dazu, weiß, wovon ich rede.Heute abend steht aber der lyrische Beatnik Brinkmann im Vordergrund."Reisen durch gespenstische Landschaften der Gegenwart" nennt Martin Grzimek seinen Vortrag im Literaturhaus (20 Uhr).Ein poetisches Standphoto von Brinkmann gefällig? "Eine Reihe/ prominenter Gegner ist schon was/ um stolz zu sein, auf dieser/ oder jener Seite./ Der Lebensabend/ scheint gesichert./ Feuer, bitte."

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