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Straßenszene in Helsinki

© AFP

Vor dem Gastlandauftritt Finnlands auf der Frankfurter Buchmesse: In Sofis Welt

Von Sofi Oksanen über David Wagner bis zu Siegfried Lenz: Bevor Finnland das Gastland der Frankfurter Buchmesse 2014 wird, präsentierte die Buchmesse in Helsinki ihr diesjähriges Partnerland mit 20 deutschen Schriftstellern. Das aber immer unter den Augen von Finnlands Literaturstar Sofi Oksanen.

Unübersehbar, geradezu überlebensgroß blickt Sofi Oksanen von einem Plakat auf die Besucher von Helsinkis Buchmesse herab. Oksanen, 1977 als Kind eines estnisch-finnischen Paares in Jyväskylä geboren, ist im Augenblick der Star der finnischen Literaturszene, nicht zuletzt weil sie eine gute Selbstvermarkterin ist: von ihrem Style (achtziger Jahre, Lieblingsfarben schwarz, dunkelblau, lila) über einen eigenen Verlag, in dem sie die Taschenbuchausgaben ihrer Romane herausbringt (und demnächst erstmals eine finnische Übersetzung von Alexander Solschenizyns „Archipel Gulag“), bis zu von ihr designten Regalen.

An diesem Nachmittag jedoch spielt Oksanen ausnahmsweise keine größere Rolle. Gewissermaßen nur unter ihren Augen finden sich auf der größten Bühne dieser Messe über 500 Menschen ein, um einen der berühmtesten deutschen Nachkriegsschriftsteller zu erleben: Siegfried Lenz. Deutschland war in diesem Jahr das Partnerland der finnischen Buchmesse, was kein Zufall ist. Finnland bereitet sich gerade auf seinen Gastlandauftritt für die Frankfurter Buchmesse 2014 vor. In Kooperation mit finnischen Verlagen hatte zunächst jedoch das Goethe-Institut Finnland deutsche Schriftsteller nach Helsinki eingeladen, darunter Ursula Krechel, Judith Schalansky, Felicitas Hoppe und David Wagner. Und eben den 87 Jahre alten Lenz, der in Deutschland nur noch selten auftritt, sich von den Finnen aber zum Kommen bewegen ließ. Das mag mit seiner besonderen Beziehung zu den nordischen Ländern, zum Meer überhaupt zu tun haben (Lenz lebt teilweise in Dänemark); vielleicht aber auch mit seinem Erstlingsroman „Es waren Habichte in der Luft“ von 1951, dessen Schauplatz das finnisch-russische Grenzgebiet ist.

Viele Besucher der Messe wollten sich Lenz` jüngste Novelle "Schweigeminute" signieren lassen

Über den Entstehungsprozess dieses Romans spricht der in einem Rollstuhl sitzende, ansonsten aber muntere Lenz ausführlich, dabei gekonnt der ursprünglichen Frage aus dem Wege gehend, warum er nach dem Krieg nie wieder in seine masurische Heimat zurückgekehrt sei. Auch seine 2012 ins Finnische übersetzte Novelle „Schweigeminute“ ist Thema des halbstündigen Gesprächs (Lesungen sind in Finnland unüblich), und als Lenz sich am Ende für die Aufmerksamkeit bedankt, zücken viele der Besucher ihre finnischen oder deutschen Ausgaben von „Deutschstunde“, „Heimatmuseum“ oder „Schweigeminute“, um sich diese signieren zu lassen. Aber nicht nur die Veranstaltung mit Lenz ist sehr gut besucht. Auch die Diskussionsrunden über Finnlands Gastlandauftritt in Frankfurt unter anderem mit Buchmessendirektor Jürgen Boos oder dem seit Jahrzehnten in Finnland lebenden Autor Roman Schatz finden zahlreiche Zuhörer.

Oder der Auftritt von David Wagner. Von dem Berliner Schriftsteller wurde zwar bislang kein Buch ins Finnische übersetzt. Aber vor zwei Jahren war er Stadtschreiber auf Suomenlinna, einer Festungsanlage auf mehreren miteinander verbundenen Inseln vor Helsinki. Wagner spricht folglich nicht nur über sein Erfolgsbuch „Leben“, sondern auch darüber, wie es für ihn war, mit der Fähre zwischen Suomenlinna und Helsinki zu pendeln und hier auf den beheizten Bänken am besten schreiben zu können.

Der Helsinki-Flaneur unterscheidet sich von dem Berlin-Flaneur doch ein wenig – so wie die kleine Buchmesse Helsinkis von der ungleich größeren in Frankfurt. Hier werden an jedem Stand viele Bücher auch verkauft, hier sind deshalb die großen Buchhandlungen Helsinkis mit Ständen vertreten, und selbst Vinylplatten, CDs und Musikinstrumente gibt es. Zudem ist Deutschland auch sonst Thema: In den ebenfalls auf der Messe anwesenden Antiquariaten sind viele Militaria aus der Nazi-Zeit zu bestaunen (und zu erwerben) – und in Sofi Oksanens neuem Roman, der 2014 auf Deutsch erscheint, geht es nicht zuletzt um die deutsche Besetzung von Estland zwischen 1941 und 1944.

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