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Kultur: Vor der Hochzeit

Manchmal ist das die schönste Phase einer Beziehung: Wenn man sich gerade entschlossen hat, zusammenzuleben und voller Vorfreude auf die gemeinsame Zukunft steckt.Manchmal ist es aber auch die gefährlichste Phase: Weil man dann umso kritischer auf die Alltagsmacken des anderen schaut und sich fragt, ob man das auf Dauer aushält.

Manchmal ist das die schönste Phase einer Beziehung: Wenn man sich gerade entschlossen hat, zusammenzuleben und voller Vorfreude auf die gemeinsame Zukunft steckt.Manchmal ist es aber auch die gefährlichste Phase: Weil man dann umso kritischer auf die Alltagsmacken des anderen schaut und sich fragt, ob man das auf Dauer aushält.So sah es im letzten Herbst aus, als das Berliner Sinfonie-Orchester noch etwas verschlampt in das erste Saisonkonzert mit seinem designierten Chef Eliahu Inbal einstieg und der mit muffligen Interviews für Irritationen sorgte.Doch das scheint inzwischen vergessen, allmählich wird deutlich, wie gut Inbal und sein Orchester zueinander passen.Und daß das BSO nach der etwas unglücklich verlaufenen Ära Schönwandt gut daran getan hat, sich einen Chef zu suchen, der in vielem genau das Gegenteil seines Vorgängers ist: Wo Schönwandt ein al-fresco musizierender Gefühlsmusiker ist, der die Partituren von vorn quasi durchschreitet und das spontane Nacherleben vermitteln will, sieht Inbal den sinfonischen Bau aus der Vogelperspektive, zielt auf die großen Formverläufe ab.

Bruckners siebte Sinfonie läßt er diesmal im Konzerthaus spielen, und es gelingt ihm eine Aufführung von seltener Geschlossenheit.Da werden Bruckners endlose Wiederholungen als Steigerungen erlebbar, weil Inbal nicht schon den ersten Auftritt eines Motivs als Kurzerlebnis überinszeniert, nicht versucht, durch willkürliche Beschleunigungen oder Verlangsamungen den Atem der großen Crescendi zu stören.Die Themen sind Material, das einem sinfonischen Verwandlungsprozeß unterzogen wird - keine aufsehenerregenden Charaktermelodien.Das mag man für unterspielt halten: Das ohne Vorwarnung hereinkobolzende Finalthema, das Bruckner später mehrfach im extraprotzigen Orchesterkleid vorbeiparadieren läßt, hat wohl noch mehr Humor in sich als in Inbals lakonischer Erzählweise deutlich wird.Doch das stört nicht wirklich, ebensowenig wie kleine Blechbläser-Schwächen im ansonsten hochkonzentriert und präzis spielenden BSO.Welch einen Motivationsschub der neue Chef auslöst, zeigt sich gerade in Kleinigkeiten: Als Gewichtszulage zum Bruckner hatte man Mozarts viertes Violinkonzert beigegeben - selbst die simpelsten Begleitfloskeln der Streicher atmen bei dankenswert straffen Rahmenvorgaben von Seiten Inbals Leichtigkeit und Elastizität, im Schlußsatz pariert das Orchester die Vorgaben des (wie gewohnt souveränen) Solisten Frank-Peter Zimmermann mit selten zu erlebender Anmut und hält so den tändelnden grazioso-Charakter.Zur bevorstehenden Hochzeit die herzlichsten Glückwünsche.

Noch einmal heute 20 Uhr und Montag 19 Uhr

JÖRG KÖNIGSDORF

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