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Kultur: Vor der nächsten Pointe: Räuspertaste einschalten

Plaudernder Chronist der Bundesrepublik: zum 80. Geburtstag von Hanns Dieter Hüsch

Von heroischen Zeiten hatten die Deutschen nach dem Krieg erst einmal genug. Helden gehörten ins Museumsmagazin, besser noch: in den Schlager. „Ich möchte so gern einen Mann verkörpern / Der wie Siegfried und Achill etwas Großes leisten will“, sang ein junger Mann 1957. „Doch wenn ich mich im Spiegel seh’ / Sage ich unter Tränen: gesteh’ / Du bist ja so unmuskulös / Dieserhalb sind mir alle Frauen bös.“ Das Piano perlt, der Bass federt, ein Besen streichelt die kleine Trommel. Quintettjazz mit ironischen Widerhaken. Anti-Foxtrott aus der Wirtschaftswunderära.

Die Stimme, die sehr nassforsch und erstaunlich hoch klingt, gehört Hanns Dieter Hüsch. Der Kabarettist war, man hat das vergessen, auch ein markanter Sänger und gebenedeiter Musiker. Dem Frohsinn der Peter-Alexander-Schlager trotzte er mit ätzenden Versen über die „Hornbrillengespräche“ bei den Partys der Neureichen: „Kennen Sie Samuel Beckett?/ Finden Sie nicht, dass er in seinem Dings / In seinem Godot mehrmals die Stile bricht?“ Für das konfektionierte Fernweh der Lale-Andersen-Seemannslieder hatte er nur ein Achselzucken übrig: „Ich hab’ kein Girl in Sansibar / Ich hab’ kein Girl in Kamerun / Ich kenn’ das Wasser nur aus dem Hahn.“ Hüschs Jazz-Schlager wurden vor ein paar Jahren wiederentdeckt und auf einer CD veröffentlicht: eine Trouvaille.

Die Musikalität muss der „fahrende Poet“ (Eigenbeschreibung) seiner niederrheinischen Heimat und ihrer Sprache zu verdanken haben. Man hat noch den näselnden Singsang im Ohr, mit dem er in der TV-Serie „Väter der Klamotte“ die Slapstick-Desaster von Dick und Doof, Buster Keaton & Co. kommentierte. Jahrzehntelang tourte er als Geschichtenerzähler, Troubadour, Possenreißer durch die Lande, anfangs klemmte er sich hinters Piano, später hatte er seine legendäre kleine Philips-Orgel mit 29 weißen und 20 schwarzen Tasten dabei. Er tingelte „von Volksbildungswerk zu Volksbildungswerk, von Volkshochschule zu Volkshochschule, von Kulturamt zu Kulturamt, von Kurbad zu Kurbad“ und absolvierte bis zu 200 Auftritte im Jahr.

Hüsch wurde in Moers geboren, mit seinen verplauderten Frieda-Geschichten hat er die Region in die Gefilde der literarischen Hochkultur emporgehievt. Die endlosen Hagenbuch-hat-jetzt-zugegeben-Monologe führten immer mehr ins Reich des Absurd-Dadaistischen. Erste Triumphe feierte der Beamtensohn mit seinem Kabarettensemble „arche nova“, das er 1956 in einem Mainzer Keller gegründet hatte. Beim Südwestfunk lernte er, wie man eine „Räuspertaste“ bedient und dass man vor dem Mikrofon nicht „Könik“, sondern „Könich“ sagt und „Taak“ statt „Tach“, weil zwei Silben sich klarer artikulieren lassen.

1968 wurde Hüsch beim Folklore-Festival auf der Burg Waldeck von der Bühne gebuht, man warf ihm einen „bourgeoisen Verniedlichungstrend“ vor. Das hat ihm nicht geschadet, Hüsch gehört neben Wolfgang Neuss und Dieter Hildebrandt zu den prägenden Kabarettisten der Bundesrepublik. Das Geheimnis seines Erfolgs: „Ich erzähle von mir, meiner Frau, von meinem Gegenüber, von der Welt und meinem Hund, von uns allen.“ Nach einem Schlaganfall im Herbst 2001 hat sich der philosophische Clown aus der Öffentlichkeit zurückgezogen. Sein Traum, den König Lear zu spielen, wird sich nicht mehr erfüllen. Dafür haben sie ihm jetzt auf Mainzer Straßenpflaster einen „Stern der Satire“ gewidmet, in Moers eröffnen zwei Ausstellungen. Heute wird Hanns Dieter Hüsch 80 Jahre alt.

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