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Lustvoll. Die Regisseurin Yael Ronen schlägt eine neue Lesart von Singers Roman vor.

© Doris Spiekermann-Klaas

Vor der Premiere am Maxim Gorki Theater: Geliebter Schuft

Yael Ronen adaptiert Isaac B. Singers Roman „Feinde – die Geschichte einer Liebe“ für die Bühne – und erzählt vom emotionalen Chaos der Überlebenden

Von Sandra Luzina

In ihrer Inszenierung „The Situation“, die zum Theatertreffen eingeladen ist, ließ Yael Ronen Israelis, Palästinenser und Syrer aufeinandertreffen - bei einem Deutschkurs in Neukölln. Das Stück, das sie gemeinsam mit den Schauspielern erarbeitet hat, ist eine ebenso kluge wie komische Beschreibung des gegenwärtigen Zustands: der Nahost-Konflikt hat längst auch Berlin erreicht.

Wenn die israelische Theatermacherin nun Isaac Bashevis Singers Roman „Feinde, die Geschichte einer Liebe“ auf die Bühne bringt, geschieht das nicht nur aus Hochachtung vor dem jüdisch-amerikanischen Autor, der 1978 den Nobelpreis erhielt. Das Projekt ist auch als Verschnaufpause gedacht, wie sie mit einem Lächeln gesteht. Stücke wie „Common Ground“ oder „The Situation“ zu entwickeln fordere viel Kraft – „in kreativer und auch in emotionaler Hinsicht“.

Eine Menage à Quatre vor dem Hintergrund des Holocaust

Singers Roman hat sie schon auf der High School verschlungen. Den Anstoß zu der Inszenierung gab jetzt aber die israelische Schauspielerin Orit Nahmias, die es geschafft hat, den Roman auf deutsch zu lesen. Die politische Relevanz des Buchs liegt für Ronen auf der Hand: „Die Geschichte handelt von Flüchtlingen, die versuchen, nach der Katastrophe ihr Leben wiederaufzubauen. Die alles verloren haben, ihre Kultur, ihre Heimat, und sich ständig fragen, warum sie überlebt haben. Heute wird leicht vergessen, dass damals alle aus Europa fliehen wollten.“

Die ménage à quatre, die Singer vor dem Hintergrund des Holocaust schildert, ist aber auch ein tolles Material für Schauspieler. „Es ist fast wie eine Soap Opera“, sagt Ronen. „Es passiert so viel. Und die Dialoge sind perfekt.“ Der Protagonist Herman Broder, der als Ghost-Writer für einen Rabbi in New York arbeitet, steht zwischen drei Frauen. Er hat das polnische Dienstmädchen Jadwiga, das ihn vor den Nazis versteckt hat, geheiratet aus und lebt mir ihr in Brooklyn. Die neurotische Mascha, die wie er das Lager überlebt hat, ist seine heimliche Geliebte. Und dann taucht auch noch seine totgeglaubte Ehefrau Tamara auf. „Die Verstrickungen, in die er sich stürzte, waren Wahnsinn. Er war ein Hochstapler, ein Sünder – und dazu noch ein Scheinheiliger“, heißt es bei Singer.

Ein Hochstapler, ein Sünder – und dazu noch ein Scheinheiliger

„Herman ist der Mann schlechthin“, amüsiert sich Ronen. Man müsse sich vor Augen halten, in welchem Kontext der Roman entstanden ist. „Er wurde aus der Perspektive eines Mannes geschrieben – in einer sehr chauvinistischen Zeit.“ Sie wird eine neue Lesart des Textes vorschlagen – und gewiss auch etwas spöttischer auf den Helden blicken.

Am Ende des Romans ziehen Tamara und Jadwiga allein ein Kind groß. Das sei sehr modern und feministisch, so Ronen. „Sie gründen eine alternative Familie – was in dem Buch skandalös ist. In der heutigen Zeit der polyamourösen Beziehungen regt das niemanden mehr auf.“ Die Modernität von Singers Roman zeigt sich aber noch in anderer Hinsicht: „Er beschreibt eine Welt, wo die religiösen Werte ihre Bedeutung verloren haben und wo jeder seine eigenen Werte schaffen muss. Das ist die Realität, in der wir heute agieren.“

„Ein Buch, das sich um Sex dreht, handelt natürlich auch vom Essen“

Die jüdische Küche spielt übrigens in dem Buch eine große Rolle. „Ein Buch, das sich um Sex dreht, handelt natürlich auch vom Essen“, lacht Ronen. Auch wenn sie diesmal nah am Text bleibt, will sie das Jüdische der Geschichte nicht extra betonen. Ihr geht es um eine „humanistische“ Ebene - das Buch verhandelte schließlich Themen, die nicht nur die einzigartige Erfahrung des Holocaust betreffen.

Am Schluss dreht sich das Gespräch wieder um Flüchtlinge. Darauf angesprochen, dass der Zentralrat der Juden Merkels Politik kritisiert, erklärt Ronen: „Ich behaupte nicht, dass Hass und Antisemitismus nicht existieren. Aber als Angehörige der dritten Generation von Holocaust-Überlebenden würde ich nie sagen, Grenzen sollen geschlossen werden.“ Auf „The Situation“ zurückkommend, meint sie: „Offenheit und die Bereitschaft zum Dialog“ seinen nun gefordert. Auf beiden Seiten.

Premiere 11.3., 19.30 Uhr. Weitere Aufführungen am 12.3., 19.30 Uhr sowie am 15.3., 19.30 Uhr. www.gorki.de

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