zum Hauptinhalt
Harfe statt Posaune. Herbert Fritsch zieht in „Apokalypse“ neue Saiten auf.

© Doris Spiekermann-Klaas

Vor der Premiere: Ein Engel dreht durch

Herbert Fritsch wagt an der Volksbühne einen Ritt durch die Offenbarung des Johannes – und spielt in „Apokalypse“ mit Irrwitz gegen Untergangslust an

Von Sandra Luzina

Soeben wurde Herbert Fritsch beim Theatertreffen der 3sat-Preis für innovatives Theater verliehen. All die Lobpreisungen musste er erstmal verkraften. „Da kriegt man es schon ein bisschen mit der Angst zu tun“, sagt er lachend und erzählt, dass er am Tag nach der Preisverleihung eine Art Kater hatte, obwohl er keinen Alkohol getrunken hatte. Die ausgeschüttete Dosis an Euphorie war wohl nicht nicht alltäglich. Mit hohen Dosierungen an Komik, Klamauk und Energie laboriert er auch in seinen Inszenierungen. Theater ist keine Kirche und auch keine Schule, hat er stets betont. Wenn er nun die Apokalypse des Johannes auf die Bühne bringt, wird daraus gewiss keine fromme Bibelstunde. „Die Apokalypse ist ein wahnwitziger Text. Er hat teilweise etwas Psychopathisches, aber auch eine fremde, grausame Poesie. Das kommt meinen Arbeiten sehr nahe, wo man wegkippt in eine andere Welt.“

Mit dem dunklen Text hat er sich schon früher beschäftigt. 2010 hat er ihn von Kindern rezitieren lassen und daraus einen 15-minütigen Film gemacht. Mit lauter Stimme sagen 10-jährige Sätze aus wie: „Und siehe, da ward ein großes Erdbeben und die Sonne ward schwarz.“ Fritsch, der eine streng katholische Erziehung genossen hat, hat auch schon Lesungen mit der Offenbarung gemacht. Der Text passe gut zur derzeitigen Diskussion über den Islam als eine aggressive Religion, findet er: "Wenn es in der Apokalypse heißt: Wir werden die Kinder totschlagen, ist das nicht besonders friedvoll.“ Doch es wird keine Kommentare geben. Aufgeführt wird der Johannes-Text – ohne Kürzung und in Luther-Deutsch.

Es sollte ein Solo werden. Doch Fritsch muss einfach mitmachen

Ursprünglich hat er den neuen Abend als Solo für den Schauspieler Wolfram Koch geplant. Doch nun wird Herbert Fritsch selber mitspielen. „Wir haben ein paar Ideen, die wir ausprobieren wollen“, deutet er an. "Und dann kommt noch dazu, dass ich das Bedürfnis habe, wieder zu spielen." Hallelujah! Der Wahnwitz hat hier Methode. Die beiden Radikalvirtuosen werden weniger als düstere Propheten des Untergangs auftreten, sondern als furchtlose Katastrophenkomiker brillieren. Furcht und Humor gehören durchaus zusammen, findet Frtisch: „Ein ängstlicher Mensch auf der Bühne, der wegen jeder Kleinigkeit zusammenzuckt und wegrennt – das bringt uns zum Lachen. Zugleich können wir uns darin wiedererkennen.“

Nun ist die Offenbarung buchstäblich ein Buch mit sieben Siegeln. Dass der Text sich erstmal aller Deutung verweigert, ist für ihn besonders inspirierend: „Da versteigt sich einer in seinen Fantasien und andererseits erblüht bei einem die Fantasie. Am Ende steht das neue Jerusalem. Das kann eine Metapher sein, dass ein Mensch durch schwierige Situationen durchgehen muss – vielleicht nur im Kopf – um zu etwas zu gelangen, was leuchtet und schön ist. Dass nicht einfach alles direkt über Lust zu haben ist, sondern das man durch den Schmerz durchgehen muss.“

„Spielen ist für mich in erster Linie Tanzen und Singen“

Die Kopien auf dem Tisch zeigen Miniaturen aus dem Zyklus der Bamberger Apokalypse aus dem Mittelalter. Fritsch betrachtet die sieben Engel mit den Posaunen und ruft staunend: „Das sind ja fast Arrangements von mir!“ Seine Inszenierungen sind immer auch expressive Choreografien. „Spielen ist für mich in erster Linie Tanzen und Singen“, betont er. „Der Text wird immer gesungen in irgendeiner Form.“ Auch der Offenbarung will er nun die innewohnende Musikalität ablauschen, Beistand erhält er von dem Komponisten Ingo Günther.

„Apokalypse“ passt prima zur Untergangstimmung an der Volksbühne. Es ist Fritschs vorletzte Arbeit am Rosa-Luxemburg-Platz. Unter Chris Dercon wird er hier nicht mehr inszenieren. Das nahende Ende stimmt ihn traurig, auch wenn er schon viele neue Angebote hat. „Ich habe hier eine Heimat gehabt und mit tollen Leuten gearbeitet.“ Der letzte Streich hat den Arbeitstitel „Pfusch“. Fritsch lächelt verschlagen und sagt: „Zum Abschied pfusch ich nochmal was hin.“

Premiere am 22.6., 19.30 Uhr. Weitere Aufführungen am 24. und 28.6., jeweils 19.30 Uhr. www.volksbuehne-berlin.de

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false