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VORHER Nachher (1): Her mit dem Abwasch!

In diesen Tagen ist Zeitenwende. Das alte Jahr macht sich davon, das neue macht von sich reden.

In diesen Tagen ist Zeitenwende. Das alte Jahr macht sich davon, das neue macht von sich reden. Gute Gelegenheit, über Höhepunkte und Tiefpunkte nachzudenken.

Der Rest vom Fest, schön ist er nicht. Abgestandene Luft, Flaschen unter dem Sofa, halbleere Gläser, die Spülmaschine quillt über, der Kopf ist leer. Immer dasselbe. Wochenlang hat man sich gefreut, Einladungen verschickt, Getränkekisten geschleppt, das Menü zusammengestellt, Kuchen gebacken, Musik ausgesucht, Möbel beiseite gerückt und Sekt kalt gestellt. Dann kamen die Gäste, erst vereinzelt, und es gab noch ein großes Hallo, schön, dass ihr da seid und wie geht es denn so.

Aber plötzlich sind die Freunde in Scharen eingetroffen, man hat den Türsummer kaum noch selber bedienen und schon gar nicht mehr jeden begrüßen können. Die Runde im Arbeitszimmer braucht dringend Nachschub, wie bitte, der A. hat sich von der B. getrennt, was du nicht sagst, mitten in der drangvollen Enge beharrt die angereiste Schulfreundin auf eine Wohnungsbesichtigung, und aus dem Augenwinkel siehst du, wie M. gerade mit U. die Köpfe zusammensteckt, seit Monaten hat man sich nicht mehr gesehen, da willst du jetzt unbedingt hin. Nur schnell noch frisches Mineralwasser geholt, und bitte mal die Geschenke auspacken, ja, das Bier liegt im Kühlschrank, bedien dich. Eine Rede, eine Rede, die Musik ist super, du willst tanzen, hast immer noch nicht von der Bayrisch-Creme probiert, die der Nachbar mitgebracht hat, schwirrst von Grüppchen zu Grüppchen, lauter angenagte Gespräche, und dir schwirrt langsam der Kopf. Hier wird über Fundamentalismus diskutiert, dort über die Ex von A., deine Stimme wird heiser, wo hab ich nur mein Glas hingestellt, ein Abstecher zu den Rauchern auf dem Balkon wäre jetzt was Feines.

Der Nachbar geht als Erster, es ist spät, die Schüssel hol ich morgen. Du schüttelst Hände zum Abschied, Küsse, Umärmels, ruf mich an, wir haben gar nicht geredet, müssen uns unbedingt sehen. Und dann sitzt man da, überdreht und erschöpft, und geht beim Absacker mit den Getreuen die Party durch und die Gäste. Lass den Abwasch, es schwätzt sich so gut beim Geschirr, hat Großmutter immer gesagt.

Weihnachtsessen, Familienfeiern, Geburtstagsfeten: Die schönsten Feste sind grandios verpasste Gelegenheiten. Gespannte Erwartung, Fülle des Augenblicks, reine Gegenwart und dann: kerngeschmolzene Zeit. Die Minuten fliegen und fliehen, entwischen im Stimmengewirr. Am nächsten Tag, als du die Spülmaschine zum dritten Mal leerst, melden sich viele und sagen, was für ein Fest! Gerne wärst du dabei gewesen.

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