zum Hauptinhalt

Kultur: Vorschau: Babel & Co

In diesen letzten Tagen vor der "Stillen Nacht" flattert das Jahresendgeflügel besonders aufgeregt. Weihnachtsengel schwärmen mit Reklamezetteln aus, und Weihnachtsgänse schnattern der heißen Phase entgegen, die sie im Kopftopf verbringen müssen, es sei denn, sie werden von Doris nicht geköpft, sondern begnadigt.

In diesen letzten Tagen vor der "Stillen Nacht" flattert das Jahresendgeflügel besonders aufgeregt. Weihnachtsengel schwärmen mit Reklamezetteln aus, und Weihnachtsgänse schnattern der heißen Phase entgegen, die sie im Kopftopf verbringen müssen, es sei denn, sie werden von Doris nicht geköpft, sondern begnadigt. Für diese Zeit möchte ich Ihnen eine besondere Art von Literaturveranstaltung ans Herz legen. Sie brauchen dazu a) ein Buch; b) einen Sessel; c) sich selbst. Die Begegnung mit vorlesenden Schriftstellern, so interessant oder amüsant sie auch sein mag, ist immer etwas Abgeleitetes, Sekundäres. Die eigentlichen literarischen Rendezvous finden zwischen Lesenden und Texten statt. Jedes Mal, wenn wir die Augen über die Zauberlinien aus 24 Buchstaben gleiten lassen, steigt ein Text aus dem Sarg des geschlossenen Buches.

Die Auswahl an Büchern, deren Lektüre ich Ihnen hier auf die Schnelle empfehle, ist natürlich hoffnungslos willkürlich. Die Bücher haben allerdings zweierlei gemeinsam: Alle sind so dünn, dass sie an einem friedlichen Feiertagsnachmittag vernascht werden können, und alle sind in preiswerten Ausgaben erhältlich. "Töte mich!" ist vielleicht nicht gerade passend für das "Fest der Liebe", aber dieser rasante Kurzroman von Muriel Spark gehört zum Besten, was die überaus produktive englische Autorin geschrieben hat (Diogenes Taschenbuch). Einer von den ganz produktiven war auch Georges Simenon. Seine Romane zählen nach Hunderten. Mir sind die Non-Maigrets am liebsten. Und auch, wenn es ein sehr hartes Buch ist, möchte ich "Antoine und Julie" empfehlen, die Geschichte der verzweifelten Liebe zwischen Julie und dem trinkenden Zauberkünstler Antoine (Diogenes Taschenbuch). Der ungarische Schriftsteller Tibor Déry ist in Deutschland beinahe unbekannt. "Niki oder Die Geschichte eines Hundes" ist das politischste "Tierbuch", das ich kenne, "Die Farm der Tiere" eingeschlossen, weil dort die Tiere bloß als Metaphern funktionieren. Bei Déry lebt der Hund, und die Menschen leben auch, und für beide ist es ein Hundeleben (Verlag Das Arsenal).

Am Ende dieser Ausgabe von "Babel & Co", die meine letzte ist, möchte ich mich von den Leserinnen und Lesern verabschieden. Das Schlusswort hat der englische Philosoph Francis Bacon: "Bedenke, dass die Jahre vergehen, und achte darauf, nicht immerfort das Gleiche zu tun."

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false