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Kultur: Wackelt und kriegt Luft

Nichts geht über einen schönen „Puschelschwanz“: Mein Lieblingswort (6) / Von Jenni Zylka

Der „Deutsche Sprachrat“ und das GoetheInstitut haben in einer Publikumsumfrage das „liebste, schönste, kostbarste deutsche Wort“ gesucht. Aus über 22000 Einsendungen – knapp ein Drittel aus dem Ausland – wird eine Jury, der auch Popstar Herbert Grönemeyer und der Fußballtrainer Volker Finke angehören, bis Ende September die Voten mit den „charmantesten Begründungen“ auszeichnen.

In zehn Folgen, initiiert vom Kulturradio des RBB, schreiben hier deutsche Schriftsteller über ihre eigene Wort-Wahl. Bisher kürten Brigitte Kronauer „Nachtviölken“ (31. Juli), Wladimir Kaminer „Staatsangehörigkeitsangelegenheiten“ (3. August), Julia Franck „Also“ (5. August), Urs Widmer „Anmutig“ (9. August) und Ludwig Harig „erzählen“ (11. August). Demnächst folgt György Dalos.

Ist der Jäger unter sich, sozusagen entre lui, dann spricht er von der Blume, wenn er das Ende eines Häschen- oder Kaninchenkörpers beschreibt. Nun ist Blume an sich schon ein schönes Wort. Noch schöner ist jedoch die Bezeichnung „Puschelschwanz“ für das, was hinten am Karnickelleib wackelt.

Wenn man jemanden „Puschelschwanz“ sagen hört, wird meistens gekichert. Kein frivoles, dreckiges Kichern. Eher ein nettes, kindliches, warmes, mehr ein Hihihi als ein Hohoho. Vor ein paar Jahren war das noch etwas anders, da lachte der selbsternannte Gentleman, Lebemann und Genießer höchst anzüglich über den Klang des Wortes, weil er an devote, mit knappen Badeanzügen, langen Ohren und Puschelschwänzen als lebensgroße Häsinnen verkleidete Damen in verrauchten Salons dachte. Doch seit Damen anders Geld verdienen können und der Playboy endlich auch offiziell nur noch von Angebern und solchen, die es nötig haben, durchgeblättert wird, ist das vorbei. Der Puschelschwanz ist zurückgekehrt zum Nager, und da soll er auch bleiben und schön klingen. Dass dieses wunderbare Wort derart warme Gefühle auslöst, liegt einerseits an seiner semantischen und andererseits an seiner phonetischen Dimension.

Semantisch lässt der Begriff „Puschelschwanz“ niedliche kleine Mümmelmänner und -frauen im Geiste über die Auslegeware im Kinderzimmer hoppeln, bis ins Bett des Besitzers, um dort mit ihm zu schmusen und zu kosen – die kinderfreundlichen Tiere haben ein weiches Fell, die Köttel sind relativ gut wegzumachen, und sie sind allemal leiser als alleingelassene Hunde oder ewig zwitschernde, vorlaute Sittiche.

Phonetisch besteht das Wort „Puschelschwanz“ eindeutig aus zwei Hauptwörtern mit eigentlich sehr unterschiedlichen Klängen. Da gibt es den zweiten Teil, Schwanz, mit dem weichen Sch-Laut am Anfang und den beiden so genannten Verschlusslauten N und Z am Ende. Diese sorgen dafür, dass das Wort sanft, aber bestimmt ausklingt - Puschelschwanz und Schluss. Wichtiger für die Attraktivität des Wortes ist jedoch der erste Teil. Puschel kombiniert den dunkelsten und darum auch beruhigendsten aller Vokale – nämlich U – mit wiederum dem weichen Sch. Nicht umsonst macht man schschsch, um erwachsene und noch lange nicht erwachsene Menschen zur Ruhe zu bringen! Die Kombi "Usch" findet sich in einer Menge sympathischer, beruhigender, gemütlicher oder irgendwie positiv aufgeladener Worte: Kuscheln. Duschen (nach einem anstrengenden Tag). Huschen (für ein kleines Mäuschen). Lusche (ein etwas langsamer, aber dennoch netter Mensch, der auch mal - nuscheln könnte, weil er schüchtern ist.) Sushi (köstliche Fischhäppchen). Tusche (die altmodischste Art, etwas zu malen). Babuschka, mit der Karel Gott sogar Äpfel stiehlt. Pfuschen (gut, das ist nicht ganz so positiv, hat aber immer noch etwas Versöhnliches). Muschel. Mauscheln. Kuschen. Puschen, die man im Haus trägt und die weich sind wie eben der – Puschelschwanz. Und so weiter.

Zugegebenermaßen gibt es auch in der urgemütlichen phonetischen Usch-Familie ein paar wenige schwarze Schafe, die sich in letzter Zeit ungastlich präsentierten (Hindukusch) oder durch sonstige unangenehme Eigenarten auffielen (Bush, also George W.). Aber es überwiegt das Positive.

Der zweite Laut bei Puschel, das -el, weist ebenfalls einen hohen Niedlich-Faktor auf: es erinnert an eine altmodische süddeutsche Diminutiv-, also Verkleinerungsform. Madel, Häusel, Kindel und so weiter.

Um zu rekapitulieren: „Puschelschwanz“ ist ein ganz besonderes Wort für ein kleines, eigenwilliges Tieraccessoire. Ein weiches, rundes, kuscheliges, lebendiges Etwas in einer kalten, lauten, harten und gemeinen Welt. Ihm gebührt dringend die nötige Anerkennung.

Jenni Zylka, geboren 1969, behauptet von sich, in der langweiligsten Stadt Niedersachsens, in Osnabrück, aufgewachsen zu sein. Sie hat sich aber seit vielen Jahren nach Berlin gerettet, wo sie in der „taz“ regelmäßig lustige Dinge schreibt. Im Rowohlt Verlag debütierte sie 2003 mit dem Roman „1000 neue Dinge, die man bei Schwerelosigkeit machen kann“. Unlängst erschien von ihr der Nachfolgeroman „Beat, Baby, Beat!“

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