zum Hauptinhalt

Kultur: Warnung vor dem armen Poeten

Künstlersozialkasse: Grass & Co. protestieren

Die deutschen Intellektuellen melden sich mit einem Offenen Brief an Sozialministerin Schmidt und Kulturstaatsministerin Weiss zurück. Darin protestieren über 80 Schriftsteller, unter ihnen Günter Grass, Hans Magnus Enzensberger, Botho Strauß, George Tabori, Theresia Walser und Urs Widmer, gegen die Erhöhung der Künstlersozialabgabe um 35 Prozent. Sie warnen davor, dass Verlagen der Ruin drohe und zeitgenössischen Autoren die Verbannung aus Theatern und Sendern. Die schrillen Töne sind nicht unberechtigt, aber sie kommen mit seltsamer Verspätung. Die Künstlersozialabgabe bezahlen Verlage, Theater und andere Verwerter künstlerischer und publizistischer Leistungen an die Künstlersozialkasse (KSK). Sie bewahrt freie Künstler und Publizisten vor Not und Alterselend. Wie Angestellte bezahlen Urheber die Hälfte ihres Kranken- und Rentenversicherungsbeitrages, den „Arbeitgeberanteil“ teilen sich Verwerter und der Bund. Das Problem der KSK ist ihr Erfolg. Aus 10000 Versicherten 1983 wurden mittlerweile 140 000 – auch weil sich die Medienunternehmen vieler Angestellter durch Outsorcing entledigten und an die neuen Freien Honoraraufträge vergaben.

Der hoch verschuldete Bund reduzierte im Jahr 2000 seinen Anteil an der KSK-Finanzierung von 25 auf 20 Prozent, die Verwerter hatten 30 Prozent zu übernehmen. 3,8 Prozent von jedem Honorar überwiesen sie 2003 an die KSK, 2004 waren es 4,3, jetzt sind es 5,8. Schon im letzten Jahr warnten einige Verlage, diese Steigerungen gingen über ihre Kräfte, zumal die Buchbranche seit vier Jahren sinkende Umsätze verzeichnet.

Dass sich die Autoren erst jetzt zu Wort melden, verwundert. Es zeigt aber, wie sehr sich beide Seiten mittlerweile aufeinander zubewegt haben. Die langwierigen und erst vor kurzem beendeten Verhandlungen über gemeinsame Vergütungsregeln haben das Verständnis füreinander und für einstellige Prozentzahlen wachsen lassen. Passenderweise beraten die Publikumsverlage heute in München über den Vertragsentwurf. Vielleicht stimmt manchen ablehnenden Verleger das Engagement seiner Autoren milde.Gefordert ist nun die Politik. Sie wird ihren Anteil nicht erhöhen wollen. Aber der Kreis der abgabepflichtigen Unternehmen könnte um Werbeagenturen erweitert werden. Oder der der Versicherten verkleinert.

Jörg Plath

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false