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Kultur: Warum dänische Schweine gesund sind

Gesellschaftskritik und Kommerz: Politische Themen kommen wieder in Mode. Ein Rundgang durch Berliner Galerien

Hans Haacke konnte zufrieden sein. Als der Künstler letzten Sommer anlässlich des Parteitages der republikanischen Partei in New York eine Serie von Bush-kritischen Fotoarbeiten veröffentlichen wollte, griff zunächst die liberale Wochenzeitung „The Nation“ zu (Auflage 160000). Beim zweiten Anlauf schaffte er es sogar in den „New Yorker“. Renommee: kaum zu steigern, Verbreitung: weltweit. Gleichzeitig jedoch, so schilderte Haacke dem Publikum der „Klartext“-Konferenz über den Status des Politischen in aktueller Kunst und Kultur am vorigen Wochenende in Berlin, waren seine Werke auch in einer kleinen, hauptsächlich von Insidern besuchten Galerie in Chelsea ausgestellt, die inzwischen geschlossen wurde. Das Entscheidende sei dabei der „Zugang“, argumentierte Haacke. Die Möglichkeit, Informationen sowohl mit Hilfe von Massenmedien als auch in die inneren Kreise des Kunstbetriebs hinein zu streuen. Andere Teilnehmer der Konferenz hielten kritische Kunst in Galerien, Kunstvereinen und Museen für im „besten Fall unbedeutend, im schlimmsten Fall profitabel“, wie der Pariser Aktivist Brian Holmes es formulierte. Um dem entgegen zu treten, plädierte er für anonyme Autorenschaften und prozesshafte, basisdemokratische, sich immer wieder neu gründende Strukturen: Ausstellungsorte auf Zeit, „subjektive Foren“ und eine situationistische Mischung aus „Karneval und direkter Aktion“.

Doch die Entwicklung ist nicht aufzuhalten, und es ist längst zu beobachten, dass Kunst auch in kommerziellen Galerien zu sehen ist, die noch vor zehn Jahren allenfalls in Off-Galerien oder anderen Non-Profit-Orten ausgestellt werden konnte. Welche Konsequenzen das sowohl für die Kunst als auch für die Galerien hat und wie verschieden die Herangehensweisen sein können, das lässt sich derzeit anhand von drei Ausstellungen in Berlin gut verdeutlichen.

In der Galerie Barbara Weiss zeigt momentan der Documenta-Teilnehmer Andreas Siekmann neue Arbeiten. Siekmann versteht es wie nur wenige andere, politische Themen spielerisch, ästhetisch ansprechend und – wenn man so will – unterhaltsam aufzugreifen und zu verarbeiten. Schaut man aber genauer hin, offenbart sich ein Weltbild, das in der Amplitude seiner Kritik sicher nicht jedermanns Sache ist. Rassismus und Fremdenfeindlichkeit, Überwachungsstaat und die globale Herrschaft eines brutalen, skrupellosen Kapitalismus: In seiner Sicht auf die Gegenwart ist Siekmann von einem derart allumfassenden Furor getrieben, dass es schwer fällt, ihm in alle gedanklichen Verästelungen zu folgen. In Brüssel hatte Siekmann vor zwei Jahren als Kunstprojekt im öffentlichen Raum ein Karussell an einem historischen Reiterstandbild installiert, mit lebensgroßen Figuren von prügelnden Polizisten und fiesen Bänkern. Die „Aktualisierung“ für Dresden scheiterte am Widerstand der Stadtregierung. Nun sind die Bestandteile des Karussells neben digitalen Zeichnungen, Illustrationen und Bundestags-Protokollen in der Galerie ausgestellt (Preise 2500–22000 Euro). Für die Galeristin Barbara Weiss ist die Schau nur eine von mehreren Phasen des Projekts. Und sie weiß auch, dass sie bei der Vermittlung von Siekmanns Arbeiten diplomatischer sein muss als sonst, weil sie manchen Sammler damit vor den Kopf stößt. Das Paradoxe ist freilich, dass Weiss besser verkaufen könnte, wenn Siekmann der aktuellen Nachfrage entsprechend anstelle von Zeichnungen Gemälde anfertigen würde – die harten Polit-Motive dürften dabei ruhig dieselben sein. Doch das wiederum will Siekmann nicht.

Eine zweite Galerieausstellung mit dezidiert politischer Kunst führt ihren Anspruch bereits im Titel. „Disobedience“ (ziviler Ungehorsam) in der Galerie Play besteht aus einer Auswahl von etwa zwei Dutzend Videofilmen unterschiedlichen Charakters. Was sie verbindet, ist ihre Abbildung von öffentlichem Widerstand gegen die als unerträglich empfundenen herrschenden Verhältnisse. Im Untergeschoss rufen Monitore mit Dokumentaraufnahmen Proteste und Gewalt während des G8-Gipfels in Genua in ungute Erinnerung. In den Galerieräumen laufen Filme wie Haroun Farockis atemberaubendes, aus Aufnahmen des rumänischen Fernsehens zusammengestelltes „Videogramm einer Revolution“ über die letzten Tage des Ceaucescu-Regimes in Bukarest oder Gianni Mottis fünfminütigen Film „Roland-Garros“, der eine Anti-Irakkrieg Demonstration mit dem Halbfinale der French Open in Paris kombiniert. Angelegt als Archiv, soll die von Marco Scotini kuratierte Kompilation in Zukunft andauernd erweitert werden. Nicht nur deshalb haben sich die Macher von Play entschieden, von der üblichen Praxis abzuweichen. Der Kontakt zu den jeweiligen Künstlern wird offeriert, doch verkauft wird in diesem Fall nichts.

Die möglicherweise eleganteste Methode, politische Kunst unter die Leute zu bringen, ist in der Galerie Johann Koenig zu besichtigen. Der dänische Künstler Tue Greenfort scheint weniger eine eigene weltanschauliche Haltung zu vertreten, als vielmehr andere Positionen aus der Vergangenheit zu zitieren. 1978 gestaltete Greenforts Künstlerkollege Mikael Witte eine Serie von Plakaten, mit der er gegen die dänische Schweinemast protestieren wollte. Der Schriftzug „Dänische Schweine sind gesund, sie strotzen vor Penizillin“ erlangte gerade in der alternativen Szene Kultstatus. Konkret hing das Plakat in nahezu jedem Haushalt, wenn man der Überlieferung glauben darf, ironischerweise meist auf dem Klo. Das ist das Fundament, auf dem Greenforts Wiederbelebung von Wittes Arbeit ruht. Der Künstler, auch sonst dem Recycling durchaus zugetan, vertritt eine politische Meinung und kann sich gleichzeitig auf dem Feld der Rezeptionsgeschichte betätigen. Diese Ambivalenz gilt auch für die Preisgestaltung. An sich sei die Plakatserie nicht verkäuflich, heißt es bei Johann Koenig. Aber das muss man nicht wörtlich nehmen, schließlich ist auch in der Kunst fast alles eine Frage des Geldes.

Galerie Barbara Weiss, Zimmerstraße 88-91, bis 29. Januar, Di–Sa 11–18 Uhr.

Galerie Play, Hannoversche Straße 1, bis 26. Februar, Di–Sa 12–19 Uhr.

Galerie Johann Koenig, Weydinger Straße 10, bis 26. Februar, Di–Sa 11–19 Uhr.

Ulrich Clewing

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