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Weit weg von Bill Gates’ Garage. Slumbewohner in der philippinischen Hauptstadt Manila.

© dpa

"Warum Nationen scheitern" - Eine Rezension: Die Weltformel für Erfolg

Daron Acemoglu und James A. Robinson erklären in ihrem Bestseller-Sachbuch "Warum Nationen scheitern", was für den Reichtum eines Staates ausschlaggebend ist.

Bill Gates ist Amerikaner, und glaubt man den US-Wirtschaftswissenschaftlern Daron Acemoglu und James A. Robinson, dann ist das auch kein Zufall. Eine Karriere wie die des Microsoft-Gründers wäre in keiner anderen Nation möglich gewesen, schreiben sie in ihrem hochgelobten, jetzt auch auf Deutsch erschienenen Buch „Warum Nationen scheitern“. Wäre Gates nicht in Seattle, sondern viele Kilometer weiter südlich in Mexiko geboren, wäre er wohl nicht zu einem der reichsten Männer der Welt geworden – oder zumindest nicht auf die Art, auf die es ihm gelang. Denn dafür bedurfte es einer speziellen Mischung von politischen und wirtschaftlichen Gegebenheiten, die so nur nördlich des Rio Grande existiert, argumentieren die Autoren.

Der Vergleich der Aufstiege von Bill Gates und dem mexikanischen Telekom-Tycoon Carlos Slim ist nur eines der vielen Beispiele, an Hand derer die renommierten MIT- beziehungsweise Harvard-Professoren Acemoglu und Robinson ihre These durchexerzieren, was den Erfolg oder das Scheitern eines Staates ausmacht – da geht der deutsche Titel, der „nations“ nicht mit „Staaten“ sondern dem wesentlich weiter gefassten Begriff „Nationen“ übersetzt, ein wenig fehl.

Die Frage, warum manche Staaten arm und andere reich sind, ist ein Dauerbrenner der Ökonomie. Max Weber erklärte die protestantische Arbeitsethik für entscheidend, der Evolutionsbiologe Jared Diamond sieht die Ursachen eher in der Geografie, Montesquieu machte kulturelle Unterschiede verantwortlich.

Acemoglu und Robinson verwerfen all diese Ansätze. Ihnen zufolge sind es primär die politischen Institutionen, die dauerhaftes Wirtschaftswachstum, Wohlstand für alle und damit ein Fortbestehen des Staates garantieren.

Das klingt offensichtlich, vergleicht man beispielsweise das kulturell und klimatisch eng verwandte Nord- und Südkorea, bedarf im Detail allerdings doch etwas der Erläuterung.

Ausbeuten oder beteiligen

Aus Sicht der beiden Ökonomen ist für eine prosperierende Gesellschaft vor allem notwendig, dass die Menschen einen Anreiz haben, sich anzustrengen. Das funktioniere auf Dauer nur, wenn sie am erwirtschafteten Wohlstand beteiligt werden. Die Autoren unterscheiden deshalb zwischen zwei Staatsformen: ausbeuterischen und am Wohlstand beteiligenden, die in der deutschen Übersetzung ein wenig arg akademisch als „extraktive“ beziehungsweise „inklusive Institutionen“ bezeichnet werden. Erstgenannte zeichnen sich durch eine kleine Gruppe von Mächtigen aus, zu deren Nutzen die große Mehrheit arbeitet, letztgenannte garantieren Privateigentum, Bildung und Chancengleichheit und sind offen gegenüber technischem Fortschritt.

Ihre These untermauern die Autoren mit einem anekdotenreichen Ritt durch die Geschichte. Römisches Reich, Maya- Imperium, das pestgeplagte Europa oder der Kongo unter Kabila sind nur einige Stationen, die anschaulich abgehandelt werden, und es ist faszinierend zu beobachten, wie es Acemoglu und Robinson gelingt, ihr Modell als Quasi-Weltformel zu verkaufen. Sei es, um die Spätfolgen des Kolonialismus in der Karibik zu erklären, um das zögerliche Patentwesen Mexikos aus der ebenso zögerlichen Kreditvergabe der dortigen Banken abzuleiten, oder um das wirtschaftliche Ausbluten des Ostblocks als Folge Stalins fehlgeleiteter Boni-Kultur darzustellen.

Viele Leser dürfte jedoch gerade dieser Universalitätsanspruch stutzig machen, zumal die Autoren außer Geschichten kaum Zahlen oder allgemeingültige Studien präsentieren. Dass sich der Mensch vor allem auf Druck einer auf Profitmaximierung fokussierten Elite vom jagenden Wandersmann zum Unkraut jätenden Dorfbewohner hat umerziehen lassen, bleibt somit eine Behauptung. Die kaum weniger plausible alternative Erklärung, nämlich die, dass der Mensch sich zum Ackerbau entschloss, weil das die einfachste Möglichkeit war, Alkohol herzustellen, hebeln sie so nicht aus.

Gerade weil es Widerspruch provoziert, bleibt „Warum Nationen scheitern“ jedoch eine anregende Lektüre. Ob es allerdings wirklich fast 600 Seiten gebraucht hätte, zumal diverse Male bereits in vorangegangenen Kapiteln vorgebrachte Argumente und Anekdoten wiederholt werden, ist fraglich. Nach einem Drittel des Buches kennt man die Argumentation der Autoren.

Politische Institutionen sind entscheidender für den Wohlstand eines Staates als Kultur, Klima oder Religion argumentieren Acemoglu und Robinson.
Politische Institutionen sind entscheidender für den Wohlstand eines Staates als Kultur, Klima oder Religion argumentieren Acemoglu und Robinson.

© promo

Daron Acemoglu, James A. Robinson: "Warum Nationen scheitern. Die Ursprünge von Macht, Wohlstand und Armut". S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main. 580 Seiten, 24,99 Euro.

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