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Slayer klingen nicht wie Helloween. Trotzdem sind beide Metal. Jörg Scheller fragt sich, warum.

© Igor Vidyashev/ZUMA Wire/dpa

Was ist Heavy Metal?: Schnell, laut, brutal – und doch noch so viel mehr

Von Black Sabbath bis Slayer: Der Kulturwissenschaftler Jörg Scheller zeichnet in seinem Buch "Metalmorphosen" ein facettenreiches Bild des Genres.

So einfach sie zunächst scheint, so kompliziert ist die Definition im Detail. Was ist Metal?

Die Frage stellt Jörg Scheller zu Beginn seines Buches „Metalmorphosen“, nur um dann sofort die Vergeblichkeit einer einheitlichen Beschreibung einzugestehen: „Ein Genre rasend schneller Geschwindigkeiten? Destruction ja. Pantera nein. Beide Metal. Ein Genre brutaler Texte? Cannibal Corpse ja. Helloween nein. Ein Genre des heiligen Ernstes? Danzig ja. Stormtroopers of Death nein.“

Schellers kürzlich erschienenes Werk, das den Untertitel „Die unwahrscheinlichen Wandlungen des Heavy Metal“ (Franz Steiner Verlag, 24 Euro) trägt, lässt sich als der 286-seitige Versuch lesen, der Antwort trotzdem so nahe wie möglich zu kommen.

Auf dem Weg dorthin erzählt der Professor für Kunstgeschichte an der Zürcher Hochschule der Künste die Historie der Musik, ihrer Fans und Protagonisten nach. Von ihren Anfängen mit Black Sabbath anno 1970 in der Arbeiterschicht von Birmingham bis in die Gegenwart, in der die „Welt“ Black Metal zur „Musik der Stunde“ ausruft und die „Zeit“ konstatiert: „Wacken ist das neue Woodstock“.

Ein facettenreiches, nicht selten überraschendes Bild

Scheller analysiert, wie die Ästhetik von der "satanischen" Psychedelic-Rock-Band Coven mitgeprägt wurde, er führt Interviews mit Musikern und Musikerinnen über Metal in Taiwan oder Brasilien, er macht sich Gedanken über "Metal und Religion“ , „Metal und Politik“ sowie „Metal und Gender“.

Nach und nach zeichnet er dabei ein facettenreiches und nicht selten überraschendes Bild eine Genres, das für Außenstehende oft wirkt, als sei es in seinen eigenen Klischees erstarrt.

2019 besuchten runde 85000 Menschen das Wacken-Festival.
2019 besuchten runde 85000 Menschen das Wacken-Festival.

© REUTERS/Wolfgang Rattay

Dass er selbst Fan und als Mitglied des Musik-Duos Malmzeit sogar Teil der Szene ist, thematisiert Scheller in dem Buch immer wieder. Sicher kann man das kritisieren, sein Blick ist dadurch durchweg sehr wohlwollend.

Die Nähe zum Objekt hat allerdings auch den unbestreitbaren Vorteil, dass hier nicht, wie das oft in kulturwissenschaftlichen Betrachtungen des Themas ist, ständig Metal und Hardcore oder die Gattungen Black, Thrash und Death verwechselt werden.

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Schellers Anspruch bleibt bei all dem aber trotzdem ein intellektuell-wissenschaftlicher, wenn er mit Adorno und Luhmann argumentiert oder Parallelen zieht zwischen der Rezeption von Metal um 1980 und Schillers „Die Räuber“ 200 Jahre zuvor.

Auch auf die Musiktheorie, die in vielen vergleichbaren Werken oft wenig bis gar keine Beachtung findet, wird eingegangen. So werden die Kapitel immer wieder von von musikwissenschaftlichen Analysen unterbrochen, die der Komponist Dennis Bäsecke-Beltrametti beisteuert.

Für den musiktheoretischen Teil sollte man Fachwissen mitbringen

Um daraus Gewinn zu ziehen, sollte man allerdings eine gute Portion Fachwissen mitbringen, weil sonst Sätze wie der folgende, der aus dem Essay über Megadeths „Symphony of Destruction“ stammen, mehr Fragen aufwerfen als sie beantworten: „Der oft angenommene und vielfach beschworene historische Entwicklungsstrang, entlang dessen sich Metal durch immer stärkeren Gebrauch der dissonanten Intervalle der verminderten Quinte und der kleinen Sekunde von aeolischen über phrygischer bis hin zu lokrischen Riffs und darüber hinaus zur Verwendung des freien – wenn auch grundtonbezogenen – chromatischen Totals entwickelt habe, lässt sich innerhalb vieler Metal-Songs direkt beobachten.“

Und was ist Metal jetzt? Vieles. Ein wie sein Namenspate, das Metall, schmiedbares, verflüssigbares, verformbares Objekt. Scheller kommt am Ende auf die Formel, dass Metal dann als Metal wahrgenommen wird, wenn er glaubhaft an Geschichte und Ästhetik des Genres anknüpft - "an das Werden, nicht an das Sein, genauer an das Werden als Sein."

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