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Kultur: Was Liebe heilt

Damals, als Arik jung war: „Ein Sommer in Haifa“.

Haifa, 1968: Israel hat den Sechstagekrieg gewonnen. Nach dem Kampf ums Überleben regt sich der Wunsch, einfach nur zu leben. Für den 16-jährigen Arik und seine Freunde ohnehin. Da tritt mit Yaakov Braid (Adir Miller), einem hinkenden Heiratsvermittler, ein Mann mit mysteriöser Vergangenheit ins goldene Licht der Hafenstadt. Von Sommerferien, Krimi–Lektüre und pubertärer Angeberei beflügelt, bittet Arik (Tuval Shafir) Yaakov, einen Mann für seine unglückliche Schwester zu finden. Kleines Problem dabei: Wo andere Menschen Hände haben, da trage sie Schwimmflossen.

Der Heiratsvermittler, für den alle Menschen liebesbedürftige Fälle sind, willigt ein. Natürlich gibt es sie nicht, diese Schwester. Doch als Yaakov vor Ariks Vater steht, erkennen sie einander als Schulfreunde aus Rumänien – und Überlebende des Holocaust. Darüber schweigt Ariks Vater; der Blick der Mutter, die in Israel geboren wurde, wird starr.

Yaakov nennt Arik fortan „Flosse“ und bietet ihm einen Ferienjob als eine Art Spion an – schließlich müssen die Kandidaten, die er einander zuführt, überprüft und für ehrlich befunden werden. Yaakovs Büro liegt am Hafen: Dort leben die, die nicht angekommen sind im gelobten Land. Eine Tür weiter betreiben sieben Zwergwüchsige, an denen der KZDoktor Mengele seine grausamen Experimente vollführte, ein Kino. Es zeigt ausschließlich Liebesfilme.

Um Liebe geht es allenthalben. Um die verzweifelten Kunden von Yaakov, denen er verspricht: „Ich besorge dir, was du brauchst, nicht, was du willst.“ Um Yaakov selbst, der die traumatisierte Clara (Maya Dagan) aussichtslos liebt. Und um Arik, der sich in Tamara (Neta Porat) verguckt, die rebellische, in den USA aufgewachsene Kusine eines Freundes. Tamara trägt keinen BH und hört Rockmusik – und das zu einer Zeit, in der Israel aus Sorge um seine Jugend die Beatles nicht einreisen lässt. Je mehr Zeit Arik mit den Außenseitern verbringt, desto stärker spürt er auch, dass die Holocaust-Überlebenden verdächtigt werden, sie hätten Unmoralisches getan, um dem Tod im Naziterror zu entgehen. Und KZ-Sex-Schundromane kursieren, während Arik erste Küsse tauscht.

Regisseur Avi Nesher versteht es, einer Zeit ein liebevoll gezeichnetes Gesicht zu geben. Er hat den erfolgreichsten Kinofilm Israels gedreht: „Turn Left at the End of the World“ handelt vom kulturellen Zusammenprall in einer Planstadt inmitten der Negev-Wüste, ebenfalls in den sechziger Jahren. In „Ein Sommer in Haifa“ gelingt ihm das Wunder, Ariks Erwachsenwerden mit der Entdeckung einer zerrissenen, tabubeladenen Gesellschaft ohne Gewalt zu verschränken. Humorvoll, sehenden Herzens, mit wunderbaren Darstellern. Ulrich Amling

Babylon Mitte, Brotfabrik, Bundesplatz und Moviemento (alle OmU)

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