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Was machen wir heute?: Abhärten

Sagen Sie, fährt der Bus durch den Tiergarten?“ - „Na, drüberfliegen kann er ja wohl nicht.

Sagen Sie, fährt der Bus durch den Tiergarten?“ - „Na, drüberfliegen kann er ja wohl nicht.“ Berliner sind hilfsbereite Menschen, oft sogar selbstlos. Nur haben sie leider den Tick, dass sie einen immer erst belehren und dumm dastehen lassen müssen, bevor sie helfen. Das meinen sie nicht böse und mancher Zugereiste entschuldigt es mit der notorischen „Berliner Schnauze“. Aber zartbesaitete Neuberliner kann das schocken. Eine entfernte Bekannte, die an ihrem ersten Tag in der Stadt morgens in der Bäckerei Croissants kaufte und bloß wissen wollte, ob man die denn „auch hier essen könne“, bekam zur Antwort: „Wenn ich den Boden flute, können sie hier auch schwimmen.“ Dann bekam sie gleich einen Teller gereicht. Jeder Hilfe geht eine Frechheit voraus. Das nervt und oft kränkt es, besonders den, der norddeutsche Zurückhaltung gewohnt ist.

Nun kann man die Unverschämten ja nicht aus Berlin ausweisen. Sie waren zuerst hier. Und da es tausende gute Gründe gibt, warum man selbst nicht kleinbeigeben und wieder wegziehen will, muss man sich arrangieren. Das einzige, was hilft: sich selbst abhärten. Am besten radikal. Eine ideale Möglichkeit dafür ist das Café 103 in der Kastanienallee. Die Ecke gehört zum gefühlten Prenzlauer Berg, liegt aber administrativ gesehen bereits im Bezirk Mitte. Im 103 gibt es zwar leckeren Kaffee und viele gut aussehende Menschen an den Nebentischen, aber leider auch die – ganz subjektiv gesehen – vermutlich unfreundlichste Bedienung der Welt. Ins 103 kommt man nicht als Kunde, sondern als Bittsteller. Ein freundliches Lächeln wird, wenn überhaupt, mit Ignoranz beantwortet. Das scheint den Berlinern zu liegen, denn der Laden ist morgens, mittags und abends voll. Vielleicht mit Zugezogenen, die sich an die Umgangsformen der Stadt gewöhnen wollen. Nach zwei Wochen 103 ist man ein Anderer. Nicht gefühlskalt oder menschlich verdorben, sondern einfach hart im Nehmen. Fit für Berlin. Sebastian Leber

Das Café 103 liegt in der Kastanienallee 49. Geöffnet ist täglich ab 9 Uhr.

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