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Was machen wir heute?: Alles leicht

Wie ein Ost-Berliner die Stadt erleben kann

Ein Mann geht an die Bar des Klubs, in der der neue Tag schon ein paar Stunden alt ist. Er greift in die zerbeulte Innentasche seines Jacketts und holt eine Paprikaschote hervor, sie ist gelb, er überreicht sie dem Barkeeper. Der nimmt ein Messer, zerschneidet das Gemüse in kleine Stücke, wirft es in ein Glas und zerstampft es. Kurz darauf vermischen sich fünf verschiedene Wodka- und Ginsorten mit den Paprikastücken und einem Schuss Orangensaft. Der Mann im Jakett lächelt, zahlt mit Kreditkarte und trinkt sein Glas in drei Schlucken aus. Danach stürmt er – wie Dutzende andere auch – auf die Bühne des Klubs, auf der gerade eine zweiköpfige Band aus Berlin auf Schlagzeuge eindrischt und abwechselnd auf deutsch, englisch und französisch singt: „Ich liebe Liebe zu dritt.“

Ich nippe an meinem nicht ganz so spektakulären Gin Tonic und werde gewahr, was ich an Berliner Klubnächten manchmal vermisse – Leichtigkeit. In Stockholm drückt sie sich in dieser Nacht in zwei Dingen aus: Zunächst in dem Umstand, dass sich eine komplette Stadt nach Einbruch der Dunkelheit eine neue Identität zulegt. So sprach mich nach dem Konzert auf einem U-Bahnhof, auf dem nicht wenige Leute den Eindruck machten, sie hätten nicht wenige Paprikacocktails intus, eine junge Frau an, die ständig vor sich hin kicherte, und als ich sie auf englisch fragte, was es denn zu lachen gebe, antwortete sie auf deutsch: Keine Ahnung.

Die zweite Erkenntnis meines kleinen Ausflugs in die schwedische Leichtigkeit: Es sollte mehr Orte auf dieser Welt geben, an denen der Preis einer aufregenden Nacht nicht in bar berechnet wird. In Stockholm kann man alles mit Kreditkarte bezahlen, jeden einzelnen Cocktail, jede einzelne Paprika. Warum, so frage ich mich seit jener Nacht, ist das eigentlich nicht im angeblich so lässigen Berlin möglich? Zum Beispiel in meinem Lieblingsrestaurant in Prenzlauer Berg? Oder in meinem Lieblingsklub in Mitte? Die Antwort darauf ist ganz einfach: Keine Ahnung.Robert Ide

Die Band: www.stereo-total.de

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