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Kultur: Was machen wir heute?: Auf die Geliebte warten

Erst habe ich mich verliebt. Heute bin ich auch noch dankbar.

Erst habe ich mich verliebt. Heute bin ich auch noch dankbar. Madonna lässt mich nicht mehr los. Nein, es geht nicht um die "Reina del Pop", die in diesen Tagen ganz Berlin durcheinander gewirbelt hat. Es geht um die "preußische Madonna". Die hat in Berlin auch viel Wirbel gemacht, aber das war um die Wende zum 19. Jahrhundert.

Weil Sie alle Neu-Berliner-Kolumnen lesen, werden Sie sich erinnern, dass ich schon im März über Luise geschrieben habe. Damals habe ich meine Liebe noch versteckt im bildungsbürgerlichen Gewand des Preußenjahr-Interessierten. Dann ging alles ganz schnell, und so kam es, dass ich heute Luise verfallen bin. Maßgeblich dazu beigetragen hat das Luise-Buch von Günter de Bruyn. Da kann man nachlesen, wie die Luise und ihre Schwester Friederike schon im Frankfurter Haus der Goethes die Männer verwirrt haben, und dass Johann Gottfried Schadow angesichts von Luises Worten den hessischen Dialekt als den "angenehmesten aller deutschen Dialekte" bezeichnet hat. Na ja. Wenn man sich Schadows Doppelstandbild der Schwestern ansieht, so darf man gewiss sein, dass der Dialekt nicht das Einzige ist, was ihm an den Damen gefallen hat.

Ich jedenfalls bin sicher, dass es maßgeblich mir zu danken ist, wenn Günter de Bruyns wunderbares Buch jetzt schon seit Wochen auf Platz sechs der Spiegel-Liste zu finden ist, und hätte mich Marcel Reich-Ranicki gefragt, ich hätte es auch zur Aufnahme in seinen Pflichtlektüre-Kanon empfohlen. Aber ich schaffe es bald auch ohne Kanon: Nahezu jeder, der mich in den vergangenen Wochen zum Abendessen eingeladen hat, erhielt de Bruyns Luise von mir als Mitbringsel. Ich nehme dabei bewusst in Kauf, dass die Zahl der Liebhaber Luises täglich wächst. Aber das macht gar nichts.

Einer der von mir Angestachelten, ein mir unbekannter Berliner Geschichtsprofessor, hat sich dieser Tage als Luise-Liebhaber geoutet. Und mir dabei auch ein Geheimnis für Neu-Berliner verraten. Um nämlich die Angebetete zu bestaunen, muss man gar nicht immer in die Friedrichswerdersche Kirche gehen. Das Prinzessinnenpaar gibt es nämlich auch als Nachbildung bei KPM. Ich wollte mich gleich zum Kauf entschließen. Denn da würden Zweie profitieren: Ich und das Land Berlin, dem es bekanntlich ziemlich schlecht geht Aber 25 000 Mark für die beiden Schwestern? Glücklicherweise hat der freundliche Professor mich auch auf die Staatliche Gipsformerei hingewiesen, wo man die beiden Damen als Abguss - ich weiß, das klingt nicht besonders anmutig - erhalten kann. Ich habe sofort angerufen und mich nach Fristen und Preisen erkundigt. Die Lebendgroßen kosten bemalt 15000, in weiß 13000 Mark. Als Verkleinerung für den Schreibtisch kann man die Schwestern schon für 2200 und 2500 Mark haben. Aber es dauert: Selbst auf die Kleinen müsste ich neun Monate warten. Bei den Großen dauert es eineinhalb Jahre. Jetzt ringe ich mit mir, wie lange ich auf die Geliebte warten will (und was sie mir wert ist).

Rainer Hank

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