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Was machen wir heute?: Berlinern

Wie ein Rentner die Stadt erleben kann

Damit alle, die unserer Stadt die Ehre geben, ein bisschen besser verstehen, was sich waschechte Berliner zu sagen haben, gibt es jetzt ein kleines Lehrbuch, den „Dialekt-Lilli“ von Langenscheidt, „Lilliput Berlinerisch“. Darin: 5000 Stichwörter und Wendungen mit Erklärungen zum Wieso und Warum. Also, Ick bin bejeistert! Das ist Lesestoff, der die Seele erheitert und det Jemüt erwärmt. Zum Beispiel die Sache mit Dativ und Akkusativ: „Ick liebe dir, ick liebe dich, wie’t richtich is, det weeß ick nich’ und is mich ooch Pomade. Ick lieb’ dir nich im dritten Fall, ick lieb’ dir nich im vierten Fall, ick liebe dir uff jeden Fall.“ Das ist Alt-Berlinerisch, stimmt aber immer, wie das, was der Herr Berliner sagt, wenn er seinen Freund lange nicht gesehen hat und erstaunt ist über dessen lichtes Haupt: Dir wächst ja die Kniescheibe durch de Haare.

Legendär sind die direkt dem wüsten Treiben des Lebens abgelauschten Beispiele für die schnoddrige Schlagfertigkeit, mit der hier (und überall, wo das Berlinern den Geburtsort am grünen Strand der Spree verrät) der Homo Berlinensis aufzufallen beliebt. Wenn neben Ihnen ein Radfahrer stürzt und Sie ihn teilnahmsvoll fragen: „Hat’s wehgetan?“, dann wird der antworten: „Nee, so steije ick immer ab“. Wir hier haben als Erste den Finger gehoben, als der liebe Gott den Galgenhumor verteilte: „Na ja, sterben müssen wir alle, aba ick lass mir nich jerne drängeln“. Wussten Sie, wie viele Synonyme die Bulette hat? Chansonettenbrüstchen, Gummimuffe, Kampfbrötchen, Schappipuffer, Tellermine.

Manche Wortschöpfungen und Witze könnten aus Clärchens Ballhaus stammen. Da fragt man sich, wo ist das Neu-Berlinerische, die Fortsetzung von knorke, dufte, fetzig, schau und urst. Vielleicht „voll krass jeil?“ Dumm jebor’n und nüscht dazujelernt? Jedenfalls war knorke dreimal so dufte wie schnafte. Nach neuesten Erkenntnissen berlinern 30 Prozent der Ost-Berliner, im Westen sind es nur 15 Prozent. Det is noch keene Einheit, wa?

— Lilliput Berlinerisch, 384 S., 2,95 Euro.

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