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Was machen wir heute?: Bilder speichern

Wie eine Rentnerindie Stadt erleben kann

Das Baby, selbstverständlich das allerschönste seit Menschengedenken, war noch keine zwei Stunden auf der Welt, da tauchte schon eine Fotografin auf und knipste professionell drauflos. Klar, das gehört heute zum Alltag einer Mutter-Kind-Station in der Klinik. Célina-Leandra mit und ohne Kuscheltier, sehr niedlich, ein Dokument fürs Leben. Die glücklichen Eltern fehlen auf dieser ersten Bilderserie, sie mussten sich erst einmal erholen.

Mittlerweile ist das Baby drei Wochen alt, und der Fotoschatz schwillt und schwillt. Nicht auszudenken, wenn man das für ein langes Leben hochrechnet. Früher kannte man so etwas nicht, die Technik war komplizierter, es gab mehr Kinder, mit denen man nicht viele Umstände machte. Wie’s kommt, so wird’s gewickelt, hieß es. Folglich hat unsereiner nur wenige Fotos aus der Kindheit, keine als Baby, einige kamen während des Krieges abhanden.

Heutzutage lichten die Leute überhaupt alles ab, was ihnen zu Gesicht kommt, nichts einfacher als das. Bei jeder Gelegenheit wird Klick gemacht, auf Reisen gehen die Fotos in die Hunderte, ja Tausende. Doch wohin damit? Törichte Frage, natürlich ab in den Computer. Der speichert und speichert. Wie praktisch, dass man nichts aussortieren muss.

Die Rentnerin ist nicht für diese neue Mode. Alles steht um den Computer herum, bestaunt den aktuellsten Wust – abgelegt im Speicher und womöglich bald vergessen. Unsereiner bleibt bei den alten Fotoalben, in die nur die besten Bilder geklebt werden, sorgsam beschriftet. Man kann sie in Muße betrachten und Erinnerungen austauschen.

Im Verwandten- und Freundeskreis werden Duplikate von alten Fotos angefertigt und ausgetauscht. Neulich freute sich die Rentnerin über so ein kostbares Geschenk. Das Bild zeigt sie 1946 mit ihren drei Schwestern, Abzüge waren für den Vater im Kriegsgefangenenlager bestimmt. Auf der Rückseite des Originals fand sich ein anrührender Weihnachtsgruß der Mutter. Kaum vorstellbar, dass man derlei Schätze nach Jahrzehnten aus dem Computer fischen kann. Brigitte Grunert

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