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Was machen wir heute?: Dem Stern etwas näher sein

Alle Arbeiter des Kopfes und der Faust sollen ihren Resturlaub vom vorigen Jahr bis zum Monatsende nehmen, der Rentner schließt sich an und reiht sich ein in die Schlange am TXL- Counter, wo das Gepäck übers Band rollt und die Flugtickets in die Sonne vergeben werden. FUE steht auf der Banderole, die eine zarte Hand um den Koffergriff schlingt – Fuerteventura.

Alle Arbeiter des Kopfes und der Faust sollen ihren Resturlaub vom vorigen Jahr bis zum Monatsende nehmen, der Rentner schließt sich an und reiht sich ein in die Schlange am TXL- Counter, wo das Gepäck übers Band rollt und die Flugtickets in die Sonne vergeben werden. FUE steht auf der Banderole, die eine zarte Hand um den Koffergriff schlingt – Fuerteventura. Der Stern sticht auf der Kanareninsel tatsächlich, man begibt sich in einen Mix aus Sand und säuselnden Winden, 22 Grad plus, Wasser 19. Wir genießen den Himmel, die Ruhe der Buchten mit den in die Hügel gebauten Nestern, in denen nackte Deutsche hocken und „Bild“-Zeitung lesen.

Dann: Urlaub fertig, Geld alle, wir müssen zurück. Berlin, du Wunderbare! Der erste Weg durch die City – ein Horrortrip: Verrücktes Hupen, kreischendes Blaulicht, drängelnde Menschen auf Beinen und Rädern, die durchs Fußvolk fahren, das sich telefonierend und mit Pappbechern oder Bratwürsten in der Hand den Weg bahnt. Das Kulturvolk hat uns wieder. Statt gemächlichen Schlenderns mit T-Shirt über kurzen Hosen diese Schals und Mützen, dieses Tempo, das Brummen und Brausen, dieser Fluch der Bauwagen, die die ausgeschachtete Erde der halben Mitte durch die Stadt kutschieren. Jedes deutsche Nest hat seine verkehrsfreie Zone. Aber wir? Wohin, ja, wohin?

Die Flucht gelingt direkt neben Brechts Haus in der Chausseestraße. Auf dem Dorotheenstädtischen Friedhof sprießen die Krokusse; je weiter wir in die innere Anlage der letzten Ruhestätte Prominenter kommen, desto mehr entfernen wir uns von der schrillen Lebendigkeit der Stadt. Eine Tafel weist uns den Weg zu jenen, die zuletzt hier beerdigt wurden: Gerichtsmediziner Otto Prokop, Dirigent Otmar Suitner, die Fotografen Sibylle Bergemann und Roger Melis, Bürgerrechtlerin Bärbel Bohley und Bürgerschreck Fritz Teufel. Jeder Besuch eine stille Erinnerung – bis uns wieder das Stadtleben in den Ohren dröhnt. Lothar Heinke

Sonntag, 27. März, 11 Uhr: Führung über den „Dorotheenstädtischen“

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