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Was machen wir heute?: Dem Winter trotzen

Wie eine Rentnerindie Stadt erleben kann

Eine gepflegte Stadt ist Berlin ja nicht gerade, das war immer so und lässt sich offenbar nicht ändern. Weiß der Kuckuck, warum überall in unseren Grünanlagen, auf Straßen, Plätzen, Bahnhöfen Abfälle herumliegen, ganz zu schweigen vom ewigen Hundedreck, von der Graffitikleckerei und Scheibenkratzerei. Da hilft wohl kein Gesetz, nichts ist lang lebiger als Mentalitäten.

Vor ein paar Tagen fielen der Rentnerin in der Leipziger Straße sogar Überbleibsel der Silvesterknallerei auf. Und so lange sollten die Männer in den orangefarbenen Overalls nicht vorbeigeschickt worden sein? Donnerwetter, dachte sie, märchenhaft lange nicht gefegt, oder doch nachlässig nach dem Motto: Was liegen bleibt, tritt sich fest. Oder ist für die Straßenreinigung einfach kein Geld mehr da?

Noch länger trockneten zwei Weihnachtsbäume vor der Haustür der Rentnerin in Nikolassee vor sich hin. Sie waren rechtzeitig, das heißt, gleich nach dem Dreikönigstag, am Straßenrand zum Abholen bereitgelegt worden. Da lagen sie nun, vergessen von den Saubermännern, als sollte man sich einbilden, sie würden dort Wurzeln schlagen. In der Nachbarschaft dachte schon alles, sie würden bis Pflaumenpfingsten dort liegen bleiben. Doch am 27. Januar rieb man sich die Augen, die Christbäume waren weg.

Ach, der Straßenmüll. Am besten wäre es, wenn sich der Himmel erbarmte und noch einmal tüchtig Schnee rieseln ließe. Dann wäre der ganze ignorierte Unrat wunderbar adrett zugedeckt, wenigstens für eine Weile. Die Natur würde es prima vertragen.

Die Frühlingsvorboten schreckt der Winter jedenfalls nicht. Der Boden im Garten ist hart wie Beton, aber an geschützter Stelle, dicht am Haus, haben sich, robust wie sie sind, Schneeglöckchen in dichten Reihen hervorgewagt und zeigen stolz ihre weißen Blütenknospen. Sogar eine Primel blüht in ihrer geschützten Ecke, schon den ganzen Winter über, sagenhaft. Sie hat Eis und Schnee getrotzt, sie würde es wieder tun. Na ja, zwischen Straßenmüll würde es ihr auch nicht gefallen. Brigitte Grunert

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