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Was machen wir heute?: Den Geist der Weihnacht finden

Zweimal werden wir noch wach … Ach, denke ich, wenn es doch mal wieder richtig weihnachten würde. So wie früher, als Weihnachten ein Wunder war, als die Träume wirklicher waren als das wirkliche Leben, und Märchen wahr wurden.

Zweimal werden wir noch wach … Ach, denke ich, wenn es doch mal wieder richtig weihnachten würde. So wie früher, als Weihnachten ein Wunder war, als die Träume wirklicher waren als das wirkliche Leben, und Märchen wahr wurden. Als ich selbst ein Kind war, da war Weihnachten ein Traum, da kamen Himmel und Erde zusammen – himmlische Nacht. Das ist so lange her, dass es mir kaum noch wirklich erscheint. Heute bin ich ein Vater, und der Weihnachtsmann hat eine Adresse mit Postleitzahl. Er wohnt nicht mehr am Nordpol, sondern hat eine Filiale im brandenburgischen Himmelpfort. Er steht auf der Gehaltsliste von Coca-Cola, vom Einkaufszentrum Alexa und dem Berliner Schaustellerverband.

Der Weihnachtsmann ist zu einem Koofmich verkommen. Früher, da machte sich der Weihnachtsmann rar, er blieb – vom Kurzauftritt auf dem Christkindlmarkt abgesehen – vor allem ein Phantom, ein Gefährte des Traums. Knecht Rupprecht trug die gütigen Züge kindlicher Sehnsucht und war gekleidet im prächtigen Gewand der Fantasie.

Heutzutage lungert an beinahe jeder Ecke ein Weihnachtsmann herum, und kein Kind ist vor ihm sicher. Am vergangenen Adventssamstag sind mir und Emma, meiner fünfjährigen Tochter, beim Bummel durch Mitte allein vier von ihnen über den Weg gelaufen. Und sie halten nicht einmal einen Mindestabstand, der es der Einbildungskraft ermöglichte, sie für ein und denselben zu halten – von einheitlicher Berufskleidung ganz zu schweigen. Als wir gerade einen zuckerwatteweißbärtigen Rotrock hinter uns gelassen hatten, stand in einer Passage um die Ecke schon der nächste, diesmal mit ergrauter Barttracht.

„Schon wieder der Weihnachtsmann“, staunte ich. „Der ist heute aber viel unterwegs“, versuchte ich die Situation zu retten.

„Aber Papa“, belehrte mich Emma, „die Männer haben sich doch nur verkleidet. Der echte Weihnachtsmann kommt erst am Weihnachtsabend.“ Da war er wieder, der gute alte Geist der Weihnacht. Er lebt und hält jeder rauen Wirklichkeit stand – in Kinderherzen. Gesegnetes Fest! Stephan Wiehler

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