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Was machen wir heute?: Den kleinen Prinzen verstehen

Als Grundschüler habe ich gerne „Der kleine Prinz“ gehört. Will Quadflieg spricht im Kassettenrekorder, meine Mutter kocht in der Küche, ich puzzle im Wohnzimmer – eine wunderbare Arbeitsteilung.

Als Grundschüler habe ich gerne „Der kleine Prinz“ gehört. Will Quadflieg spricht im Kassettenrekorder, meine Mutter kocht in der Küche, ich puzzle im Wohnzimmer – eine wunderbare Arbeitsteilung. Die abenteuerliche Wüste, die Schlange, die Vulkane, die Affenbrotbäume, der ganze Hutquatsch gleich zu Beginn, all das hat mir damals sehr gut gefallen.

Es gab aber auch Dinge, die mich angewidert haben, und erst heute verstehe ich, warum: „Man sieht nur mit dem Herzen gut. Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar.“ Schön fürs Poesiealbum, schlecht für das Fliegen eines Flugzeugs, so leicht könnte man es sich machen. Das habe ich als Kind aber nicht. Vielmehr fing mit dem kleinen Prinzen für mich dieser Leib-Geist-Seele-Trennungs- Schlamassel an. Die wahre Welt hinter der falschen. Die innere Schönheit. Mal ehrlich, wer hört das gerne: Ich liebe dich wegen deiner inneren Schönheit? Richtig verwirrend wird es mit der Rose, der verqueren Liebe des kleinen Prinzen. Dieses Gewächs ist optisch vielleicht passabel, aber sonst eine Katastrophe. Da kommt auch der Prinz bald zu einer verräterischen Äußerung: „Man darf den Blumen nicht zuhören, man muss sie anschauen und einatmen.“ Sollte er an dieser Stelle wirklich über Pflanzen reden, würden ihm die meisten Botaniker und Psychologen recht geben. Sollte die Rose aber symbolisch für eine Partnerin stehen, dann haut der vermutlich selbsternannte „Prinz“ hier einen veritablen Chauvinisten-Satz heraus: „Zuhören nein, einatmen ja.“

Und dann die verstörende Frage, ob der interstellare Freak nun Kind oder erwachsen ist. Er kommt ohne Eltern klar, lebt in eheähnlichem Verhältnis, wirkt aber wie ein Teenager auf Ritalin. Gehört er am Ende zu jenen gemeingefährlichen Erwachsenen, die ein Leben lang Kind oder zumindest „jugendlich“ bleiben wollen? Dann wäre er in Berlin ja in guter Gesellschaft. Anselm Neft

„Der kleine Prinz“ – eine Symbiose aus Theater, Film und Puppenspiel, Admiralspalast, Friedrichstraße 101, heute, 19.30 Uhr.

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