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Was machen wir heute?: Den Mond sehen

In meinem Viertel ist für alles gesorgt. Für die Kinder gibt es einen Eisladen, für flatratesaufende Pubertisten eine Spelunke im Neondesign, nachdenkliche Frauen setzen sich in die Internet-Kaffeeläden, weniger nachdenkliche Männer an die Fußballstammtische, für Hunde hängen Kottüten an einer Laterne, für Touristen Bilder eines Stadtteilmalers am Zaun der Gethsemanekirche – und für mich, ja, was gibt es eigentlich für mich?

In meinem Viertel ist für alles gesorgt. Für die Kinder gibt es einen Eisladen, für flatratesaufende Pubertisten eine Spelunke im Neondesign, nachdenkliche Frauen setzen sich in die Internet-Kaffeeläden, weniger nachdenkliche Männer an die Fußballstammtische, für Hunde hängen Kottüten an einer Laterne, für Touristen Bilder eines Stadtteilmalers am Zaun der Gethsemanekirche – und für mich, ja, was gibt es eigentlich für mich?

„Ich hab was für dich entdeckt“, sagte eine Freundin vergangene Woche zu mir. „Einen Platz, an dem du dich entspannen kannst.“ Am nächsten Abend lief ich ein blasses Treppenhaus hinauf, viele Stockwerke, und landete mit einer Flasche Bier in der Hand in einem Liegestuhl hoch über den Dächern der Stadt – fast auf Höhe des Gethsemanekirchendachs. Ich sah die Sonne untergehen – und dann erstrahlte der Mond. Dachte ich, aber es war nur ein gelbes rundes Reklameschild für ein Kino. „Da, der UCI-Mond!“, rief einer. Ich drehte mich zu ihm um, und beim Blick auf meine Umgebung fiel mir auf: Ich saß auf einem mit Altsand verschütteten Parkplatz, umgeben von Yuppies, Bauzäunen und schlechter Musik. Ich saß inmitten aller schlechten Trendigkeiten, die mein Viertel inzwischen auch ausmachen. „Gut, dass der Stadtteilmaler noch nicht hier oben war“, rief ich, nahm mein Bier und rannte die Treppen runter.

Vielleicht, so dachte ich, muss ich mich von meinem Viertel entfernen, um bei den Dingen anzukommen, wegen derer ich hierhergezogen bin: kleine Geschäfte, junge Familien, gute Cafés. Und so lief ich weg vom Norden Prenzlauer Bergs, zurück in meine alte Heimat Pankow. Auf meinem Weg machte ich ebenerdig Rast auf einer Bank an einer ruhigen Straße – hier gab es auch gutes Bier und sogar gutes Essen, hier saßen ganz normale Leute. Ich blickte zum Himmel, sah den Mond, den richtigen. Und dachte: Vielleicht sollte ich den Weg zu Ende gehen. Robert Ide

Schlecht: Strandbar auf den Schönhauser Allee Arcaden, am S-Bahnhof; Gut: Café Frau

Mittenmang, Rodenbergstraße.

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