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Was machen wir heute?: Der Sucht nachgeben

Du sollst nicht in Buchhandlungen gehen. Du sollst nicht in Buchhandlungen gehen.

Du sollst nicht in Buchhandlungen gehen. Du sollst nicht in Buchhandlungen gehen. Du sollst nicht ... Mit der Methode hat man früher versucht, uns Sünden und schlechte Angewohnheiten auszutreiben. Ob’s hilft? Nun ja. Einen Versuch ist es wert. Es ist nämlich schrecklich. Hunderte, Tausende von Büchern stehen bei mir zu Hause im Regal. Hast du die alle gelesen, fragt jeder Besucher beim ersten Mal. Nö, hab ich nicht, wann auch? Für die Zeitung muss ich Zeitung lesen, außerdem Archivmaterial, Selbst-Gegoogeltes, Fachliteratur. Wann soll ich da zur vergnüglichen Lektüre kommen! Um all meine ungelesenen Bücher zu bewältigen, brauchte ich vermutlich noch mal zwei Menschenleben lang. (Lieber Gott, ist das kein Deal?) Und doch: Sobald ich eine Buchhandlung betrete, bin ich verloren.

Am Wochenende zum Beispiel, da hat man ja Zeit (die man eigentlich auch zum Lesen nützen könnte), war ich mal wieder bei Kohlhaas & Company im Literaturhaus, das ist ein Buchladen ganz nach meinem Geschmack, klein und verführerisch. Da muss ich nur anfangen zu blättern, einen schönen Satz lesen und noch einen, und schon ist es um mich geschehen. Ich kann nicht widerstehen, wenn ich vom Sommererwachen der Kreuzberger lese, so wie Detlef Kuhlbrodt sie beschreibt, in wunderbaren knappen „Singles“, wie er sie nennt. Nur wenige kennen das alte und neue West-Berlin so gut wie er, ein Autor nach meinem Feuilletongeschmack, und noch dazu eine verwandte Flipperseele. Und wer ist „der Typ vom Tagesspiegel“, der da auf Seite 46 zwischen Wettsüchtigen und Drogenberatern mitflippert und so wenig wie alle anderen mithalten kann mit dem Champ, der dreimal so gut ist wie alle anderen, ein alter Rocker, namenlos und blass, der spielt, schweigt, gewinnt und verschwindet? Etwas Tänzerisches habe des Rockers Spiel, schreibt Kuhlbrodt. So wie seine Prosa.

Okay, ich bin ein Junkie. Ich konnte nicht widerstehen. Susanne Kippenberger

Detlef Kuhlbrodt, „Morgens leicht, später laut“, Edition Suhrkamp, 8 Euro; Buchhandlung Kohlhaas & Company, Fasanenstraße 23.

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