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Was machen wir heute?: Die stille Großstadt hören

Wie eine West-Berlinerin die Stadt erleben kann

Die besten Sachen passieren immer gerade dann, wenn ich weg bin. Am Tag, an dem die Mauer fiel, war ich in Hamburg, ausgerechnet, in der Stadt, in der ich vorher gelebt hatte, wo ich so unglücklich war. Als Hartmut Mehdorn nun endlich seine Aktentasche nahm, ein Moment den ich – im Unterschied zum Bahnchef leidenschaftliche Bahnfahrerin –, seit Jahren herbeisehne, hab ich’s nicht mal mitgekriegt. Ich war auf dem amerikanischen Land, drei Wochen ohne Radio, ohne Fernseher, kein Zeitungsladen weit und breit. Und wenn dann doch mal jemand eine „New York Times“ ergattert hatte, interessierte die sich nicht für die deutsche Eisenbahn. Aber egal, weg ist weg.

Nach meiner Rückkehr bin ich dann erst mal zum Hauptbahnhof geradelt, dessen Dach Herr Mehdorn einst kastrieren ließ, und habe in der Sonne ein Eis auf unser aller Bahnfahrerwohl geschleckt. Die Eisdiele Zanetti ist gar nicht so schlecht, man findet sie auch schneller als die Abfahrtszeiten der Züge.

Für Berlin hat sich die „New York Times“ schon interessiert, einmal habe ich die Kritik einer arabischen Theateraufführung im Hau gelesen, die den Kulturkorrespondenten außerordentlich gefreut hat: weil die Muezzins aus Kairo dabei ordentlich Krach gemacht haben. Dem New Yorker ist Berlin nämlich entschieden zu leise, „selbst die belebtesten Viertel sind unterbevölkert und gedämpft“. Die Berliner hätten denn am Ende auch dankbar geklatscht bevor sie wieder in die finstere Stille der Stadt marschiert seien.

Ich persönlich mag ja gerade das an Berlin: dass ich von meinem Wohnzimmer aus die Vögel zwitschern höre – und dabei mitten in der großen, anregenden Stadt lebe. Vom Hauptbahnhof aus bin ich denn auch zum Hamburger Bahnhof geradelt, und hab mir dort im Museum eine Ausstellung angehört, „the murder of crows“, eine Klanginstallation aus 98 Lautsprechern, 20 Verstärkern und einem Tischlautsprecher. Berührende Töne, Worte, Träume, musikalische Klänge, die nur in der Stille so klar zu hören sind. Susanne Kippenberger

Hamburger Bahnhof, bis 17. Mai.

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